Artículo
NUSO Nº Januar 2007

Öffentlich oder privat: Das falsche Dilemma der Parteienfinanzierung in Venezuela

Zusammenfassung | Die Parteienfinanzierung ist ein Hauptthema der aktuellen politischen Debatte. Venezuelas Verfassung verbietet ausdrücklich jede Art staatlicher Finanzierung politischer Organisationen. Das stößt auf Ablehnung bei den Parteien, wie die diesem Beitrag zugrunde liegende Studie zeigt. Das eigentliche Problem liegt jedoch nicht in der öffentlichen oder privaten Herkunft der Mittel, sondern in ihrer Kontrolle. Dem Thema kommt derzeit besondere Bedeutung zu. Denn der politische Diskurs ist von der Debatte um eine neue Verfassungsreform und von Hugo Chávez’ Entscheidung geprägt, alle ihn unterstützenden Parteien und politischen Gruppierungen in einer einzigen politischen Kraft zusammen zu schließen.

Öffentlich oder privat: Das falsche Dilemma der Parteienfinanzierung in Venezuela

Die Parteienfinanzierung ist ein Hauptthema der aktuellen politischen Debatte. Venezuelas Verfassung verbietet ausdrücklich jede Art staatlicher Finanzierung politischer Organisationen. Das stößt auf Ablehnung bei den Parteien, wie die diesem Beitrag zugrunde liegende Studie zeigt. Das eigentliche Problem liegt jedoch nicht in der öffentlichen oder privaten Herkunft der Mittel, sondern in ihrer Kontrolle. Dem Thema kommt derzeit besondere Bedeutung zu. Denn der politische Diskurs ist von der Debatte um eine neue Verfassungsreform und von Hugo Chávez’ Entscheidung geprägt, alle ihn unterstützenden Parteien und politischen Gruppierungen in einer einzigen politischen Kraft zusammen zu schließen.

Die Debatte über das Funktionieren der Demokratie schließt zweifelsohne die Rolle der politischen Parteien ein. Diesem Thema kommt umso größeres Interesse zu, je stärker die Parteien insgesamt in die Krise zu geraten scheinen. Besonders heikel und umstritten sind in diesem Zusammenhang die finanziellen Aspekte, d.h. wie die Parteien ihre Mittel erhalten, verwalten und darüber Rechenschaft ablegen. Bereits Robert Michels hat darauf hingewiesen, dass sich der Umgang mit den Finanzen auf das Innenleben von Parteien auswirkt. Er kam zu dem paradoxen Schluss, dass wachsende finanzielle Möglichkeiten einer Partei zwar den autoritären Appetit ihres bürokratischen Apparates verstärken, keine oder eine nur bescheidene Bezahlung der Parteifunktionäre aber auch keine Garantie für interne Demokratie ist. Im Mittelpunkt der Debatte steht in Venezuela jedoch nicht der von Michels verfolgte Gedankengang, sondern die Herkunft der Parteifinanzen. Dabei dreht sich alles um die Frage, ob sie privaten oder öffentlichen Ursprungs sein sollen und, falls man sich für eine Kombination ausspricht, welches Gewicht der jeweiligen Quelle zukommen soll.

Grundsätzlich müssen die Finanzierungsmodelle mit der Funktion korrespondieren, die den Parteien nach der jeweiligen nationalen Gesetzgebung zukommt. In Ländern, in deren Verfassungen Parteien rechtlich verankert sind, spielt der Staat bei ihrer Finanzierung eine wesentliche Rolle.In Lateinamerika sind die politischen Parteien im Allgemeinen (wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt) gesetzlich anerkannt. Daraus ergeben sich in den Verfassungen jeweils unterschiedliche Anforderungen an ihre Finanzierung.

Der bemerkenswerteste Fall ist in diesem Zusammenhang Venezuela. Als einziges Land Lateinamerikas verfügt es nach der von Hugo Chávezveranlassten Reform von 1999 über ein in Artikel 67 der Verfassung festgeschriebenes Verbot der staatlichen Finanzierung von »Vereinigungen mit politischen Zielen«. In der Verfassung ist nicht von Parteien die Rede, es wird vielmehr auf diese breiter gefasste Kategorie zurückgegriffen. Dort wird zudem festgelegt, dass ein Gesetz die Finanzierung und die privaten Zuwendungen, die Kontrollen, das Ausgabenlimit und die Dauer von Wahlkampagnen regeln soll. Fast acht Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung und obwohl bereits ein neuer Reformprozess ansteht, ist dieses Gesetz noch nicht beschlossen.

Trotz dieses Verzugs in der Gesetzgebung und obwohl über das Thema im Zuge der neuen Verfassungsreform – zumindest in der Öffentlichkeit – nicht diskutiert wird, lehnen führende Persönlichkeiten der venezolanischen Parteien dieses Verbot ab. Das zeigen unsere ausführlichen Interviews mit ihnen klar auf. Sogar die wenigen mit der Verfassungsnorm einverstandenen Parteiführer brachten zum Ausdruck, dass es zweckmäßig sei, bestimmte Formen öffentlicher Finanzierung zuzulassen. Im Folgenden stellen wir die von den befragten Politikern zur Sprache gebrachten Argumente vor und kommentieren sie. Dabei gehen wir davon aus, dass im Mittelpunkt der Debatte nicht wie heute üblich die Herkunft sondern die Kontrolle der Gelder stehen sollte.

Die Argumente

»Wegen der Einstellung der öffentlichen Finanzierung sind die venezolanischen Parteien versucht, auf jede mögliche Finanzierungsquelle zurückzugreifen.«Keine Finanzierungsform befreit die Parteien von der Verpflichtung zu einem verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit den Geldern, die sie erhalten. Es ist zudem ein Erfahrungswert, dass die öffentliche Parteienfinanzierung Geldquellen zweifelhaften Ursprungs nicht austrocknet, sondern die staatlichen Mittel einfach nur als Plus verbucht werden. So schrieb schon Gianfranco Pasquino in seinem Kommentar zum italienischen Parteienfinanzierungsgesetz von 1974, eine öffentliche Parteienfinanzierung behebe die strukturellen Ursachen des Problems nicht. Diese Argumentation lässt Roberto L. Blanco Valdés zu dem Schluss kommen, dass auch in Spanien die Zuwendungen der öffentlichen Hand für die Parteien letztlich nur zu den legalen oder illegalen Zahlungen der Klientelgruppen hinzukommen. Für Lateinamerika hat Humberto de la Calle darauf hingewiesen, dass sich niemand, der illegale Geldquellen sucht, durch ein gesetzliches Verbot allein aufhalten lässt. Auch bei öffentlichen Geldern sei es höchst wahrscheinlich, dass sie die Finanzkraft nur erhöhen, anstatt illegale Zahlungen zu ersetzen.

»Die Einstellung der öffentlichen Finanzierung hat zu einer Steigerung der internationalen Finanzierung venezolanischer Parteien geführt.« Dieses Argument muss vor dem Hintergrund der aktuellen Situation Venezuelas gesehen werden. Dort wurden Gerichtsverfahren gegen Parteiführer eingeleitet, denen der Erhalt von Geldern von Institutionen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit vorgeworfen wird. Einige Parteiführer und Akademiker beginnen sich inzwischen zu fragen, was mit dem Ausdruck »aus dem Ausland stammende Geldmittel« eigentlich gemeint ist. Andere Politiker wie beispielsweise der Generalsekretär der Sozialistischen Internationale, Luis Ayala, vertreten rundheraus die Ansicht, dass die Parteien rechtmäßige Empfänger von Mitteln aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit sein sollten. Die Meinungsverschiedenheiten über diese Frage machen die in Venezuela existierenden konträren Standpunkte und Sichtweisen deutlich: Für die einen ist die internationale Parteienfinanzierung schwer kontrollierbar und kann zweckfremden Zielen dienen, für die anderen ist sie transparent und leicht zu kontrollieren.

»Die Einstellung der öffentlichen Finanzierung hat die Parteien von Partikularinteressen abhängig gemacht.« Das Ende klientelistischer Praktiken, die in der venezolanischen Politik seit langem gang und gäbe sind, letztlich von einer staatlichen Parteienfinanzierung abhängig zu machen, ist ein sehr schwaches Argument. Das Thema ist nicht neu, und es war schon immer zu vermuten, dass mit Parteispenden oft auch Gegenleistungen oder die Begünstigung privater Interessen erkauft werden sollen. Zudem schaffen sie Beziehungsgeflechte, die nicht völlig illegal aber auch nicht ganz sauber sind, wie Michels mit Blick auf die Macht von Parteimitgliedern mit bedeutenden wirtschaftlichen Mitteln aufzeigt. Privaten Zuwendungen für Parteien werden im Allgemeinen misstrauisch betrachtet. Problematischerweise wird dabei übersehen, dass diese Gemeinschaftsaufgaben erfüllen und deshalb staatliche Zuschüsse erhalten sollten. Weiter unten werden wir uns mit diesem Widerspruch auseinandersetzen.

»Die Einstellung der öffentlichen Parteienfinanzierung hat eine Quelle für Regierungskorruption geschaffen.« Hier ist wiederum eine gewisse intellektuelle Trägheit bzw. ein Zynismus der befragten Parteiführer festzustellen: Die Korruption in der Regierung ist ein Phänomen, das weit über die Parteienfinanzierung hinausgeht. Ihre Ursache liegt nicht in der privaten oder öffentlichen Herkunft der Gelder. De la Calle nennt einige Spielarten des politischen Klientelismus: Angestellte im öffentlichen Sektor widmen sich Parteiaktivitäten anstatt ihrer Arbeit nachzugehen, überflüssige Posten werden geschaffen, Wählerstimmen und Gefälligkeiten werden erkauft, privilegierte Positionen werden für private Zwecke genutzt. Diese Art Klientelismus ist älter als das Verbot der öffentlichen Parteienfinanzierung und steht in Verbindung mit dem nächsten Argument.

»Die Verfassung hat im Grunde der öffentlichen Parteienfinanzierung kein Ende bereitet, diese erfolgt nur indirekt.« Der Artikel 67 der venezolanischen Verfassung hat eigentlich kategorischen Charakter: »Eine Finanzierungvon Vereinigungen mit politischen Zielsetzungen durch staatliche Gelder ist nicht gestattet.« Dennoch lässt er eine Hintertür offen für indirekte Formen der Parteienfinanzierung. Diese sind weltweit an der Tagesordnung, und einige Parteiführer haben erklärt, mit einer solchen Finanzierung auch in Venezuela einverstanden zu sein. Eine indirekte Parteienfinanzierung ist beispielsweise der Zugang zu den Medien während der Wahlkampagnen. Sie wurde zwar bei Wahlen wie zum Beispiel dem Referendum von 2004 über die Amtsenthebung des Präsidenten zugestanden, ist aber noch lange keine gängige Praxis. Das wurde bei den Präsidentenwahlen 2006 deutlich, in deren Vorfeld in den Medien ein signifikantes Ungleichgewicht zwischen den beiden wichtigsten Kandidaten herrschte.

Die Verordnung zur Kontrolle der Finanzierung von Organisationen mit politischen Zielsetzungen und der Finanzierung von Wahlkampagnen, die am 3. April 2004 vom Consejo Nacional Electoral (Nationalen Wahlrat) beschlossen wurde, nimmt keinen Bezug auf derartige Praktiken. Sie verbietet allerdings den Erhalt von Zuwendungen oder finanziellen Unterstützungen von öffentlichen Stellen, unabhängig davon, ob diese eigenständig sind oder nicht, ebenso wie von Konzessionsunternehmen oder Auftragnehmern der öffentlichen Hand. Und genau an diesem Punkt kommt den Klagen – nicht nur der befragten Politiker sondern auch eines Großteils der venezolanischen Gesellschaft – mehr Gewicht zu. In den Interviews wurde kritisiert, dass es sowohl bei den Regierungparteien als auch bei den Gouverneuren und Bürgermeistern der Oppositionsparteien gang und gäbe sei, öffentliche Mittel zweckfremd zu verwenden. Die Herausforderung liegt also eher darin, die Kontrollen zu verbessern, als den Parteien den Erhalt öffentlicher Zuwendungen zu verbieten. Der mangelnde Nachdruck bei der Einhaltung der Verfassungsnorm hat dazu geführt, dass die Vorschrift selbst, nicht aber die strukturellen Probleme des Parteiensystems unter die Lupe genommen werden. Und dies, obwohl ein Gutteil der Verantwortung für die Nichteinhaltung des Verbots zur öffentlichen Parteienfinanzierung bei den Parteien selbst liegt.

»Die Einstellung der öffentlichen Finanzierung hat ein beträchtliches Ungleichgewicht zwischen regierungsnahen und oppositionellen Parteien verursacht.« Dieses Ungleichgewicht ist jedoch nicht so sehr dem Verbot zuzuschreiben, sondern den fehlenden Kontrolle. Es würde durch eine öffentliche Parteienfinanzierung nicht ausgeglichen, da diese üblicherweise andere Unausgewogenheiten mit sich bringt. Genannt sei hier als Beispiel die Benachteiligung neu gegründeter Parteien durch die gängige Praxis, Wahlergebnisse zur Berechnungsgrundlage für die den Parteien zugeteilten Gelder zu machen. Das ist ein besonders wichtiger Punkt in einem Land wie Venezuela, wo ständig neue Parteien gegründet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Regierungspartei Movimiento Quinta República (MVR, Bewegung Fünfte Republik), von der sich seit ihrer Gründung im Jahr 1998 verschiedene Parteien abgespalten haben: Unión, Solidaridad, Un Solo Pueblo und Unión Patriótica Venezolana. Nach Chávez’ Entscheidung, alle ihn unterstützenden politischen Gruppierungen zu einer einzigen Organisation zusammenzuschließen, vereinen sich die erwähnten Parteien heute wieder und zwar unter dem Namen Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV, Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas).

Die Problematik betrifft aber nicht nur die regierungsnahen Parteien. Eine solche gesetzliche Regelung könnte auch Parteien benachteiligen, die beschließen, nicht an Wahlen teilzunehmen, bevor nicht andere Ausgangsbedingungen geschaffen worden sind. Acción Democrática (AD, Demokratische Aktion), eine der historischen Parteien Venezuelas, sammelt momentan Unterschriften, um wieder als Partei zugelassen zu werden und an Wahlen teilnehmen zu dürfen. Sie hatte die im Parteiengesetz festgelegte Bedingung nicht erfüllt hat, bei den beiden vorangegangenen Wahlen jeweils mindestens 1 Prozent der gültigen Wählerstimmen auf sich zu vereinigen. Bei den Parlamentswahlen von 2005 und den Präsidentschaftswahlen von 2006 hatte die AD beschlossen, keine Kandidaten aufzustellen. Ihr Argument war, es bestünde die Gefahr von Wahlbetrug. Hätte sie das auch getan, wenn ihre Finanzierung von der erreichten Stimmenzahl abhängig gewesen wäre? Darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die Frage zeigt jedoch, welchen Einfluss die Parteienfinanzierung auf die Entwicklung und die Entscheidungenvon Parteien haben kann.

Insgesamt wird das Thema des Ungleichgewichts nicht nur in Venezuela diskutiert. Weltweit wurde die Tendenz ausgemacht, dass private Gelder eher konservativen als linken Parteien zukommen. Insofern scheint das Problem des Ungleichgewichts dem Finanzierungssystem politischer Parteien inhärent zu sein.

»Die Einstellung der öffentlichen Finanzierung hat das Problem der hohen Wahlkampfkosten verschärft.« Die weltweite Diskussion über die Parteienfinanzierung geht von der Tatsache aus, dass Politik zu machen immer teurer wird, was hauptsächlich auf die Nutzung der Massenmedien insbesondere in Wahlkampfzeiten zurückzuführen ist. So weist der oben zitierte Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) darauf hin, dass »zwar Übereinstimmung darin besteht, dass die Kosten für das Fernsehen zu hoch sind, aber kein Konsens, wie darauf angemessen reagiert werden kann«. In diesem Zusammenhang ist in Venezuela der gesetzgeberische Verzug von zentraler Bedeutung. Die Verfassung von 1999 hat festgelegt, dass ein Gesetz die Wahlkämpfe und die Wahlkampagnen der Parteien regeln soll. Dieses Gesetz gibt es nicht und deshalb sind keine Kostenlimits festgelegt und es besteht weder ein verbindlicher Anspruch auf Sendezeit im Fernsehen, noch gibt es Vorschriften über private Parteispenden. Auch die Normen des venezolanischen Wahlrats behandeln keinen dieser Punkte.

Eine öffentliche Finanzierung würde zweifelsohne den Parteien helfen, die hohen Wahlkampfkosten zu tragen. Sie verlangt aber auch politische Entscheidungen und Kontrollen, die nicht nur die Herkunft der Gelder betreffen und Ergebnis eines gesellschaftlichen Konsenses sein sollten. Dennoch hat sich die venezolanische Gesellschaft, insbesondere die mit der in den nächsten Monaten anstehenden Verfassungsreform befassenden Politiker wenig oder gar nicht zu dieser Frage geäußert.

»Die Finanzierung der Parteien mit privaten Mitteln hat bewirkt, dass der Staat auf sein Recht verzichtet, die Parteien zu kontrollieren.« Ein solcher Verzicht hat nicht stattgefunden, zumindest nicht in der Verfassung. Die Frage der Kontrolle darauf zu reduzieren, dass der Staat die einzige bzw. die Hauptfinanzquelle der politischen Parteien ist, ist eine Vereinfachung. Sie lässt andere Möglichkeiten außer Betracht. Die Kontrollmechanismen müssen vielschichtiger sein, als den Geldhahn auf- oder zuzudrehen.

»Die Einstellung der öffentlichen Finanzierung bedeutet, dass der Staat sich einer Aufgabe von überragendem öffentlichen Interesse entzieht.« Das Argument ähnelt stark dem vorherigen. Die Verfassung von 1999 sieht jedoch an keiner Stelle eine solche Gleichgültigkeit vor, obwohl die nach ihrer Verabschiedung durchaus zu bemerken ist. Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Parteien selbst einen Großteil der Verantwortung dafür tragen. Statt über die Gründe für ein fehlendes Gesetz zur Parteienfinanzierung zu spekulieren, sollen im Folgenden der Gemeinwohlcharakter der Parteiarbeit und das öffentliche Interesse an ihr zur Sprache kommen.

Gemeinwohl und öffentliches Interesse als Kriterien für die Parteienfinanzierung

Das Schlussdokument einer internationalen Tagung zu politischen Parteien im Jahr 2004 besagt, dass die Parteiferne der Bürger eines ihrer Hauptprobleme ist – das gilt auch für die lateinamerikanischen Demokratien. Diese Parteiferne findet ihren Ausdruck »in einer Skepsis gegenüber der Politik und der Notwendigkeit bzw. dem Nutzen einer Mitarbeit in den Parteien.« Wenn Verfassung bzw. Staat Parteipolitik zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse erklären, heißt das nicht, dass auch die Gesellschaft dieser Auffassung zustimmt.

Weiter oben wurde erwähnt, dass eine kritische Haltung gegenüber der privaten Parteienfinanzierung weit verbreitet ist. Dabei wird aber die Gemeinnützigkeit der Parteien übersehen und damit ihre staatliche Finanzierung in Frage gestellt. Eine vom Verein Asociación Civil Liderazgo y Visión (Führung und Zukunftsvision) Ende 2005 durchgeführte Befragung hat gezeigt, dass 56 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, die politischen Parteien sollten sich selbst um Mittel zu ihrer Finanzierung kümmern. Zugleich zweifelt ein ähnlicher Prozentsatz daran, dass mit diesen Geldern transparent umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund Entscheidungen über die Trägerschaft der Parteienfinanzierung zu treffen, ohne die mögliche Reaktion der Bürger einzukalkulieren, könnte sich als harter Schlag für das Parteiensystem erweisen, das bei den meisten Venezolanern ohnehin nicht besonders gut angesehen ist.

Es ist zwar riskant, Parteien a priori bestimmte Ziele zuzuweisen – Panebianco nennt das ein »teleologisches Vorurteil« – aber dennoch wagen wir anzumerken, dass die Verfassung von 1999 bei der Frage nicht weiterhilft, welche gesellschaftlichen Funktionen die Parteien erfüllen sollen. Erstens spricht sie undifferenziert von politischen Organisationen statt von politischen Parteien, und zweitens reguliert sie vor allem das Innenleben dieser Organisationen und weniger deren Beziehung zu den Bürgern. Artikel 67 legt fest, dass Vereinigungen mit politischen Zielsetzungen demokratische Methoden bei ihrer Organisation, Arbeitsweise und Leitung anwenden müssen. Aber er führt nicht näher aus, was mit dem Begriff »demokratische Methoden« gemeint ist, und übersieht gängige Praktiken bei der Gründung neuer politischer Parteien in Venezuela wie beispielsweise den Aufbau von Organisationen um die Figur einer starken Führungspersönlichkeit.

Wer die Skepsis gegenüber der Politik tatsächlich ernst nimmt, muss etwas für neues Verhältnis zwischen Parteien und Bürgern tun. Der beste Weg dazu ist, die Gesellschaft zu befragen, was sie von den politischen Parteien erwartet. Die Debatte über ihre öffentliche oder private Finanzierung sollte von diesem Vorschlag ausgehen. Dadurch wären die Parteien gezwungen, Kommunikationsmechanismen mit der Gesellschaft zu schaffen bzw. diese wieder einzuführen. Dieses Thema sprengt den Rahmen dieser Arbeit, ist aber eng verknüpft mit dem Erfolg der von uns vorgeschlagenen neuen Interaktion zwischen Bürgern und Parteien.

Leider kann durch die Form, in der die Verfassungsreform sich gestaltet, erneut eine Gelegenheit vertan werden, um eine solche gegenseitige Annäherung in Gang zu bringen. Denn die Verfassung wird durch eine vom Präsidenten eingesetzte Komission reformiert, die ihm direkt und nicht der Gesellschaft Rechenschaft ablegt. Der Präsident stellt das Reformvorhaben dann anschließend der Öffentlichkeit vor, und die Bevölkerung Venezuelas darf ihm nur noch zustimmen bzw. es ablehnen. Das Thema der Parteienfinanzierung ist jedoch hinreichend brisant, um das Interesse breiter Gesellschaftsschichten zu wecken. Ausgehend von dieser Frage könnte sich eine anregende und produktive Debatte über ein neues Verhältnis zwischen Parteien und Gesellschaft entwickeln. Würde bei dieser Debatte klar, was die Gesellschaft von den Parteien erwartet, würde nicht nur das »teleologische Vorurteil« umgangen, es könnten sich auch neue Sichtweisen und Perspektiven für die Parteien eröffnen. Denn die Gesellschaft wäre dann eher bereit, ihnen öffentliche Gelder für Aufgaben und Tätigkeiten zuzugestehen, die als wichtig angesehen werden.

Laut Schefold hat sich dieses Vorgehen in den Ländern der Europäischen Union bewährt. Der Grundgedanke dabei ist, dass bestimmte Tätigkeiten der Parteien von großem öffentlichen Interesse sind und daher ihre Förderung durch den Staat gerechtfertigt ist. Die Art und Weise, wie dies geschieht, variiert. In den Niederlanden werden beispielsweise Initiativen zur Anregung der politischen Partizipation von Jugendlichen sowie Forschungsarbeiten zu diesen Thema finanziert. In den skandinavischen Ländern begann die öffentliche Finanzierung der Parteien mit der Subventionierung ihrer Printmedien.In Lateinamerika sieht Mexikos Verfassung vor, Parteiaktivitäten zu finanzieren, die auf politische Bildung, wissenschaftliche Untersuchungen zu sozio-ökonomischen und politischen Themen sowie auf verlegerische Tätigkeiten ausgerichtet sind. Dadurch wird die Finanzierung der allgemeinen Tätigkeit der Parteien klar von einer Finanzierung ihrer Wahlkampagnen unterschieden.

Schlussüberlegungen

Venezuela ist erneut mit einer Reform seiner Verfassung konfrontiert. Dabei könnte die Zukunft der Vereinigungen mit politischen Zielsetzungen auf dem Spiel stehen. Der Hauptakteur der Reform, Hugo Chávez, engagiert sich parellel stark bei der Gründung einer Partei, die alle ihn unterstützenden Parteien und politischen Vereinigungen, einschließlich der Gewerkschaften, zu einer einzigen Organisation zusammenfassen soll. Der dem Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas zugrunde liegende Gedanke könnte auch in der neuen Verfassung ihren Ausdruck finden. Darüber herrscht aber noch keine Klarheit, denn der Inhalt der Verfassungsreform wird vor der öffentlichen Meinung zurückgehalten.

Auch wenn das Ergebnis noch ungewiss ist, können wir die jetzige Verfassung und ihre Bewertung durch die Parteien zur Debatte stellen. Dieser Beitrag macht klar, dass das Verbot der öffentlichen Finanzierung kritisch eingeschätzt wird. Jedoch haben die meisten in diesem Zusammenhang angeführten Argumente mehr mit einer Kontrolle der Verwendung der Gelder als mit ihrer Herkunft zu tun. Bei einer Rückkehr zum staatlichen Finanzierungsmodell würden unter diesen Umständen nicht nur viele der aufgezeigten Probleme ungelöst bleiben, sondern es kämen neue hinzu. Wir haben nur die Folgen einer staatlichen Finanzierung für neue Parteien angesprochen. Generell sollten die politischen Parteien auf jeden Fall Zuwendungen vom Staat erhalten, denn von vielen ihrer Tätigkeiten profitiert die Gesellschaft. Aber auch, dass sie dabei korrekt vorgehen, liegt im Interesse der Bürger. Dies wird durch eine staatliche Finanzierung jedoch nicht garantiert. Deshalb muss eine Methode gefunden werden, die es den Bürgern Venezuelas nicht nur erlaubt, darüber zu entscheiden, ob die Parteien staatliche Zuwendungen erhalten sollen oder nicht, sondern auch, sich aktiv für eine Neugestaltung ihrer Beziehung zu den Parteien zu engagieren. Verbessert sich dieses Verhältnis, wären öffentliche Zuwendungen an Parteien gerechtfertigt, denn sie würden für Tätigkeiten eingesetzt, die als wichtig angesehen werden. Gleichzeitig hätte die Gesellschaft ein größeres Interesse daran, dass die Parteien ihre Aufgaben zufriedenstellend erledigen. Interesse und Kontrolle: Das ist eine gute Kombination für die Schaffung von wirksamen Regeln für die öffentliche Parteienfinanzierung.

Este artículo es copia fiel del publicado en la revista Nueva Sociedad , Januar 2007, ISSN: 0251-3552


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