Artículo
NUSO Nº Januar 2009

Mexiko: Große Krise – k(l)eine Antworten

Zusammenfassung | Mexiko macht die größte Rezession seit 15 Jahren durch. Selbst bei rascher Wiederbelebung der Wirtschaft wird die Krise noch einige Jahre zu spüren sein. Die Politik hat dagegen bisher nur zurückhaltend reagiert. Eine langfristige Entwicklungsstrategie, die in Anbetracht der Rezession und ihrer sozialen Folgen notwendig wäre, ist nicht erkennbar. Da die Auswirkungen der globalen Finanzkrise in Mexiko nicht im Bankensystem, sondern in der Exportindustrie zu spüren sind, konzentriert sich die Regierung vor allem auf die Stimulierung der nationalen Wirtschaftsaktivität und die Stabilisierung der Währung. Aber das angekündigte Infrastrukturprogramm konnte bisher in vielen Bereichen nicht umgesetzt werden. Die Oppositionsparteien PRI und PRD kritisieren die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Rhetorisch setzen sie sich für eine Änderung des Wirtschaftskurses bzw. einen Abschied von der aktuellen Wirtschaftspolitik ein; jedoch auch sie können die Inhalte einer möglichen neuen Strategie nicht konkret benennen.

Mexiko: Große Krise – k(l)eine Antworten

Aktuelle Situation

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise trifft Mexiko aufgrund der extremen außenwirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA im Vergleich zu anderen Schwellenländern härter. Mexiko macht die größte Rezession seit 15 Jahren durch. Im Unterschied zur sogenannten Tequila-Krise von 1994 ist der Finanzsektor dieses Mal nicht betroffen. Mexikos aktuelle Krise ist eine Wirtschaftskrise mit sehr negativen sozialen Folgen für die Gesellschaft. Der Rückgang von Exporten, industrieller Aktivität und Produktivität ist hoch und er trifft alle Formen von Arbeitsverhältnissen: sowohl die informell als auch die formell Beschäftigten, sowohl die niedrig qualifizierten als auch hochqualifizierten Arbeitsplätze. Die Arbeitslosenzahlen sowie die Anzahl der informell Beschäftigten und Unterbeschäftigten sind dramatisch gestiegen. Die größte private »Sozialversicherung« Mexikos – die Überweisungen von Familienangehörigen aus den USA – erlebt ihre schärfste Abnahme seit Beginn der Statistik in den 90er Jahren. Da ein funktionierendes und effizientes staatliches Auffangnetz fehlt und aufgrund von Einkommensverlusten und Preissteigerungen im Lebensmittelbereich trifft die Krise vor allem die armen Schichten, Geringver-diener und die Mittelschicht. Selbst bei rascher Wiederbelebung der Wirtschaft wird die Krise in den Haushalten noch einige Jahre zu spüren sein.

Die Politik hat bisher zurückhaltend auf die große Herausforderung reagiert. Die angekündigten antizyklischen Maßnahmen wurden mehrheitlich noch nicht verwirklicht bzw. umgesetzt. Eine langfristig angelegte Entwicklungsstrategie, die die Maßnahmen mit dem Ziel der unmittelbaren Abfederung negativer Folgen für Industrie und Gesellschaft komplementär begleitet und in Anbetracht der Rezession mit ihren negativen sozialen Folgen auch notwendig ist, ist nicht erkennbar. Im Wahlkampf zu den Parlamentszwischenwahlen setzte die Regierungsseite allein auf das Thema organisierte Kriminalität und Drogenmafia, das dem Staat mindestens ebenso überwältigende Schwierigkeiten bereitet. Dass die einseitige Strategie die Mehrheit der Wähler, die sich um ihre finanzielle Zukunft (und Überlebensfähigkeit) Sorgen macht, nicht überzeugte, schien bereits vor den Wahlen klar. Auch Wochen danach zögerte die Regierung, ihre Pläne in der Steuerpolitik, zur Senkung der Staatsausgaben und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit bekannt zu machen. Der Haushaltsplan für das Jahr 2009/2010 wird erst für September erwartet, wenn die Legislaturperiode des neu gewählten Abgeordnetenhaus beginnt. Auch die Oppositionsparteien Partido Revolucionario Institucional (PRI) und Partido Revolucionario Democrático (PRD) haben sich im Wahlkampf zum Thema Wirtschaftskrise und in ihrer Kritik an der Regierungspolitik nur sehr allgemein geäußert.

Die Regierung von Felipe Calderón (2006-2012) reagierte spät auf die Krise und präsentierte einen moderaten Maßnahmenplan statt einer zusammenhängenden Stabilisierungsstrategie. Während sie seit nun fast drei Jahren eine harte Linie gegen die wachsende Macht der Drogenmafia verfolgt und nach anfänglicher Unklarheit über die Art des Virus auch auf den Ausbruch der »Schweinegrippe« stringent und eindeutig reagierte, ist ihr Plan für die Erholung der Wirtschaft erstaunlich schüchtern. Hier einige Daten, die Rezession und soziale Krise widerspiegeln.

Allein im ersten Quartal 2009 ist das BIP im Vergleich zum Vorjahresquartal um 8,2% gesunken. Das mexikanische Finanzministerium geht für 2009 von einem Wirtschaftsrückgang von 5,5% aus. Andere Quellen sprechen von einem negativen Wachstum zwischen 6% (The Economist), 7% (CEPAL), 7,7% (Beratungsfirma Ecanal) und sogar 8% (OECD). Mit diesen Statistiken bildet Mexiko nach Daten der Wirtschaftskommission für Lateinamerika der Vereinten Nationen (Comisión Económica para América Latina y el Caribe, CEPAL) mit Abstand das lateinamerikanische Schlusslicht. Für die vergleichbare Wirtschaft Brasiliens liegt der Wert bei nur -0,8% und für Argentinien sogar bei +1,5% Wachstum.

Im Unterschied zum Finanzcrash von 1994, der sogenannten Tequila-Krise, zeigt sich das Finanzwesen relativ stabil; keine Bank musste Insolvenz anmelden. Nach 1994 war das Bankensystem reformiert worden und sie mussten sich mit höheren Reserven schützen. Heute wirken sich die strengen Auflagen ebenso wie die Kontrolle der öffentlichen Ausgaben stabilisierend aus, zumal die mexikanischen Kreditinstitute kaum in riskante Anlagen in den USA investiert hatten.

Eine Wirtschaft im freien Fall

Die Krise trifft vor allem den zu 85% von den USA abhängigen Exportsektor. Die Zahlen des Produktions- und Exportrückgangs sind bedrückend. Im ersten Quartal 2009 ist die Industrieproduktion um 18% gefallen. Am stärksten betroffen ist die für Mexiko so bedeutende Automobilindustrie: um 42% ist sie im Monat April 2009 gegenüber dem Vorjahresmonat abgestürzt. Aber auch in anderen Sektoren ist ein drastischer Fall der Produktion zu verzeichnen: Dienstleistung und Handel -9,3%, Bau -9,1%, Elektrizität -4,5%. Die Exporte befanden sich in den ersten beiden Quartalen 2009 im freien Fall: Manufaktur -25,2%, Bergbau und Gas -31,9%, Erdöl -57,7%. Nur Agrarprodukte verzeichneten mit 0,4% ein leichtes Plus.

Auch andere Wirtschaftsdaten zeigen nach unten. Die ausländischen Direktinvestitionen waren bereits 2008 um 30% gefallen, für 2009 werden ebenfalls bedeutende Verluste erwartet. Die Auslandsüberweisungen von Familienangehörigen in den USA sind im Vergleich zum Vorjahr nur halb so hoch, der Verlust an Arbeitsplätzen ist so groß wie zuletzt nach der Tequila-Krise. Der Fall des Ölpreises seit Juli 2008 um 40% wird sich im Haushalt schmerzhaft bemerkbar machen, sind doch die Gewinne des staatlichen Ölkonzerns die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Bereits vor Ausbruch der Grippeepidemie war von einem Einbruch des Tourismus aufgrund der globalen Wirtschaftskrise gesprochen worden. Seit dem praktischen shut-down des Landes nach Ausbruch des Virus A/H1N1 Ende April kommt dieser für das wirtschaftliche Wohl Mexikos wichtige Wirtschaftszweig nur langsam wieder in Fahrt. Hotels und Strände ziehen auch im Sommer nur wenige Urlauber an.

Neue Arbeitslosigkeit und weniger remesas

Die Dramatik der Lage ist in den Arbeitslosenzahlen abzulesen. Die im Vergleich zu anderen Ökonomien relativ niedrige Arbeitslosenquote – gemäß der offiziellen Statistik (Instituto Nacional de Estadística y Geografía, INEGI) gilt nur derjenige als arbeitslos, der keiner Beschäftigung von mindestens einer Stunde pro Woche nachgeht – ist zwischen Mai 2008 und Mai 2009 sprunghaft angestiegen: von 3,24% auf 5,31%. Der Anteil der Unterbeschäftigten hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt. Lag er im Mai 2008 laut offiziellen Daten bei 6,47%, waren es im Mai 2009 schon 13,17%. Die Arbeitsmarktkrise ist im Land sehr ungleich verteilt. Während der landwirtschaftliche Süden kaum betroffen ist, sind es die Industrie- und Tourismuszentren umso mehr. Nach Daten vom Mai 2009 waren es vor allem Arbeitnehmer in den nördlichen Bundesstaaten, insbesondere Chihuahua, Coahila, Nuevo León, im geographischen Zentrum des Landes in Mexiko-Stadt und Mexiko-Land sowie in der Touristenhochburg Quintana Roo (Cancún), die entlassen wurden. Viele Bürger spüren darüber hinaus die Preissteigerungen und den Rückgang der Überweisungen von Familienangehörigen aus den USA (sog. remesas), die man auch als inoffizielle, private Sozialversicherung bezeichnen könnte.

Mexiko ist in Lateinamerika das wichtigste Empfängerland von remesas. Weltweit steht das Land der Azteken nach Indien und China an dritter Stelle. Nach den Erdöleinnahmen sind die Geldüberweisungen die zweitwichtigste Devisenquelle des Landes. Der Anteil am BIP beträgt ca. 2,5%. Trotz der Wirtschaftskrise in USA überweisen Familienangehörige zwar weiterhin Geld, jedoch heute fast 20% weniger als im Vorjahr: im Mai 2009 nur noch 1,9 Mrd. US$ im Vergleich zu 2,3 Mrd. US$ im Mai 2008, nach 15 Jahren kontinuierlichen Anstiegs. Angesichts fehlender oder unzureichender staatlicher Sozialprogramme sind die remesas eine Art Sozialhilfe, v.a. in den von Armut stärker betroffenen Gegenden. Während die neue Arbeitslosigkeit stärker die Bevölkerung im Norden des Landes betrifft, spüren die Bürger in den ärmeren südöstlichen Bundesländern wie Chiapas, Campeche und Tabasco den Rückgang der remesas wesentlich mehr.

Verlust der Kaufkraft

Der Peso hat sich nach einem Wertverlust von 50% zwischen Oktober 2008 (10:1 zum US$) und März 2009 (15:1) stabilisiert. Im Oktober 2008 verlor er innerhalb von fünf Tagen 14% seines Werts. Stützungskäufe der Regierung brachten einen vorläufigen Halt. Zu Jahresbeginn 2009 setzte sich die Abwertung fort. Erst die Ankündigung der Zentralbank, zur Stabilisierung Dollars aus ihren Reserven zu verkaufen sowie ein Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) anzunehmen, sorgten für Ruhe: Vom 9. März bis zum 8. Juni 2009 verkaufte die Regierung täglich 100 Millionen US$. Nach dem G-20-Gipfel Anfang April 2009 erhielt Mexiko als erstes Land Zusagen des IWF in Höhe von 47 Mrd. US$ aus der sogenannten flexiblen Kreditlinie, mit der die Länder unterstützt werden, die politisch und wirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen aufweisen, aber in den Sog der Wirtschaftskrise geraten sind. Dennoch machte Mexiko auch vom 30 Mrd. US$ Währungsswap mit der US-Notenbank Gebrauch, um die wegen der Krise geschrumpften Devisenreserven der Zentralbank aufzustocken und die eigene Währung zu stabilisieren. Zur Jahresmitte 2009 hatte sich der Wechselkurs bei 13:1 stabilisiert.

Die Kaufkraft mexikanischer Arbeitnehmer verzeichnet seit Jahren Verluste. Die Reallöhne haben sich insbesondere seit dem Crash von 1994 und dem gleichzeitigen Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA nicht wirklich erholt. Trotz erheblicher Preissteigerungen seit den 90er Jahren sind die Gehälter nicht im gleichen Umfang gestiegen. Besonders die hohen Lebensmittelpreise wirken sich belastend aus. Während diese im ersten Semester 2009 um 3,02% anstiegen, lag die Inflation insgesamt bei nur 1,28%. Erschwerend kommt für eines der Länder mit dem größten Maiskonsum der Welt hinzu, dass 38% der Lebensmittelimporte auf Getreide – hauptsächlich Mais – entfallen und so von Weltmarktpreisen abhängig sind. Mexikos Esskultur beruht auf dem Maisanbau. Da im mexikanischen Durchschnittshaushalt 33,6% der Gesamtausgaben auf Lebensmittel entfallen, in den 20%-ärmsten Haushalten sogar 46,1%, sind vor allem die armen Haushalte stark von den Preissteigerungen betroffen.

Die aktuelle Rezession könnte härter und vor allem länger ausfallen als die Pesokrise von 1994/1995. Die Hauptgründe für die Finanz- und Wirtschaftskrise 1994 waren die Überbewertung des mexikanischen Peso und der panikartige Abzug von Devisen durch internationale Anleger. Reallöhne sanken, ca. eine Millionen Arbeitsplätze gingen verloren und die Armut stieg an. Die Abwertung des Peso und die hohe Exportnachfrage sorgten jedoch für eine relativ rasche Wiederbelebung der Wirtschaft, auch wenn das reale Pro-Kopf-Einkommen von 1994 auf 1995 um 9,2% fiel. Die aktuelle Situation ist jedoch wenig vergleichbar, da aufgrund der weltweiten Rezession – und vor allem in den USA – die Nachfrage nach mexikanischen Produkten sehr schwach ausfällt bzw. ausfallen wird. Der Crash von 1994 und die aktuelle Krise weisen ähnliche Negativtrends auf wie sinkende Investitionen, Wertverfall des Peso, Rückgang der Industrie, Arbeitslosigkeit und Abnahme der remesas, aber in zwei wichtigen Aspekten sind sie zu unterscheiden. Zum einen sorgen heute hohe Reserven und stabile Finanzdaten für wenig Unruhe im Finanzsektor. Zum anderen aber wird das internationale wirtschaftliche Umfeld anders als 1995 die Exportindustrie möglicherweise nicht so schnell wiederbeleben können.

Die enge Verflechtung der drei nordamerikanischen Märkte spürt Mexiko immer wieder in positiver und negativer Weise. Die Regierung selbst und nicht wenige Experten meinen, dass gerade die enge Verzahnung mit dem US-Markt zu einer raschen Erholung der mexikanischen Wirtschaft führen wird. Nach dem Motto: »Gesundet die USA im Jahr 2010 steht auch dem Wachstum der mexikanischen Wirtschaft nichts im Weg« verlässt man sich auf eine scheinbar sehr einfache Formel. Doch gerade diese Rechnung ist seit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens nicht aufgegangen. Da sich die mexikanische Wirtschaft dem US-Boom der 90er Jahre und des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends nicht anschließen konnte, ist auch in Jahren eines wohl eher konservativen Konsumverhaltens auf dem US-Markt kein Wirtschaftswunder in Mexiko zu erwarten. Obwohl das Land seit 1994 wesentlich mehr Güter in die USA exportiert, belief sich das Wirtschaftswachstum in dem gesamten 15-jährigen Zeitraum auf mittelmäßige 2,8%. Darüber hinaus hat sich die Zahl der mexikanischen Auswanderer Richtung USA im gleichen Zeitraum verdoppelt, was kein Hinweis auf positive Bilanzen auf dem mexikanischen Arbeitsmarkt ist.

Im Folgenden werden erst die Maßnahmen der mexikanischen Regierung als Reaktion auf die Krise beschrieben und im anschließenden Teil im Zusammenhang mit Mexikos Entwicklungshindernissen analysiert.

Was tut die Regierung?

Die aktuelle Rezession bedarf eines engagierten und mutigen Plans zur Wiederbelebung der Wirtschaft. Darüber hinaus aber sind Antworten auf strukturelle Probleme gefragt. Bereits vor dem Einbruch der Wirtschaft wies Mexiko geringe Wachstumsraten auf. Die Reduzierung der Auslandsverschuldung und die niedrig gehaltene Inflationsrate zahlte Mexiko mit einem geringen Wachstum in den zurückliegenden Jahren. Trotz der wirtschaftlichen Größe und der Attraktivität des Standortes für Investoren gehörte Mexiko im lateinamerikanischen Vergleich in den letzten Jahren beim Wirtschaftswachstum immer wieder zu den Schlusslichtern. Bereits vor der US-Finanzkrise hatte die CEPAL Mexikos Wachstum für das Jahr 2008 mit 2,5% auf das niedrigste Niveau in Lateinamerika eingestuft. Märkte anderer Schwellenländer wie China und Brasilien verzeichneten wesentlich höhere Wachstumsraten. Im Vergleich zu den 70er Jahren weist Mexikos Wachstum seit 2000 sogar nur ein Drittel der Geschwindigkeit auf, trotz der positiven Voraussetzungen als Exportland.

Die Regierung von Felipe Calderón hat ihre Politik zur Wiederbelebung der Wirtschaft bisher nur begrenzt umsetzen können. Im Oktober letzten Jahres sah die Regierung Mexiko von den Auswirkungen der Finanzkrise zunächst nicht betroffen. So verkündete der Finanzminister Agustín Carstens, dass Mexiko gegen die Finanzkrise in den USA »gepanzert« sei. Während sich in der Bevölkerung Zukunftsangst um Arbeitsplätze und steigende Inflation breit machten, setzte die wirtschaftsfreundliche Regierung auf die auch von der Ratingagentur Moody’s stets wiederholte Bestätigung der Stabilität der mexikanischen Wirtschaft. Die Ankündigung, dass alle Heimkehrer aus den USA in Mexiko herzlich willkommen seien, war diplomatisch höflich, musste jedoch für die vielen Mexikaner, die seit Jahren hoffnungslos angemessen bezahlte Arbeit auf dem formellen oder informellen Arbeitsmarkt suchen, oder in den Ohren der bereits aus sozialen Gründen Ausgewanderten wie Spott klingen. Zu Beginn des Jahres 2009 aber löste ernste Betroffenheit die anfängliche Bagatellisierungsrhetorik ab. Finanzminister Carstens erklärte: »Mexikos Wirtschaft befindet sich in einem tiefen Graben«.

Da die Auswirkungen der globalen Finanzkrise in Mexiko nicht im Bankensystem, sondern in der Exportindustrie zu spüren sind, konzentriert sich die Regierung vor allem auf die Stimulierung der nationalen Wirtschaftsaktivität und die Stabilisierung der Währung. Ein im Januar 2009 angekündigtes Konjunktur-paket sollte die Krisenfolgen für Unternehmen und Bürger abfedern. Das Programm mit dem Namen »Abkommen zugunsten der Kleinwirtschaft und der Arbeit« besteht aus fünf Punkten: ein Infrastrukturprogramm, Maßnahmen zum Schutz des Arbeitsplatzes, Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen, eine Preisminderung für Benzin, Strom und Gas, und Transparenz bei Ausgaben und Umsetzung des Konjunkturpakets.

Das Einfrieren des Benzinpreises und die Senkung des Gaspreises um 10% ist eine wichtige Hilfe für mexikanische Familien, die Reduzierung der Strompreise bedeutend für die Wirtschaft. Dennoch sind diese Maßnahmen relativ, denn nur ein Jahr zuvor waren der Preis für Gas um 10,7%, für Benzin um 5,5% und für Strom um 15,5% erhöht worden.

Das angekündigte Infrastrukturprogramm konnte bisher in vielen Bereichen nicht umgesetzt werden. Zum einen wurden die staatlichen Ausschreibungen für Programme in verschiedenen Landesteilen (z.B. Handelshäfen an der Pazifikküste, Autobahnnetz im Nordwesten) immer wieder verschoben oder blieben aus, zum anderen konnten Maßnahmen wegen institutioneller oder legaler Hindernisse nicht in Angriff genommen werden. Gerade am Anfang des Jahres, als der Bausektor seinen größten Zusammenbruch erlitt und staatliche Hilfen besonders notwendig waren, spielte das Infrastrukturprogramm aufgrund der Verzögerung in der Umsetzung eine unbedeutende Rolle. Nach einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG meinen 77% der befragten Unternehmer, dass die antizyklischen Maßnahmen der Wirtschaft nicht helfen würden. Die Regierung hat darüber hinaus versäumt, in den Jahren 2007 und 2008, als sie ausreichend Mittel durch die hohen Erdöleinnahmen zur Verfügung hatte, Programme zu finanzieren, die die Wirtschaft mittel- und langfristig fördern könnten. Das Programm zum Schutz des Arbeitsplatzes erreicht nur einen Teil der Beschäftigten. Die Hälfte der Arbeitslosen verlor bereits in den letzten beiden Quartalen 2008 ihren Arbeitsplatz, also zu einem Zeitpunkt als die Maßnahmen noch nicht existierten. Ein Punkt bezieht sich auf die Sozialversicherung. Im Falle des Arbeitsplatzverlustes stehen dem Arbeitnehmer noch weitere sechs Monate (statt bisher zwei) Anspruch auf Krankenversicherung zu. Die bürokratischen und teils auch klientelistischen Hürden, die die Umsetzung des Infrastrukturprogramms erschweren, gelten auch für andere Bereiche mit der Folge, dass das Ziel Arbeitsplätze zu schützen, nicht erreicht wird. Nach dem Programm zahlt der Staat einem Arbeitnehmer im Fall von Kurzarbeit ein Drittel seines Gehalts, wenn dieses nicht über drei Mindestgehältern (ca. US$ 12,50 am Tag) liegt. Die Regelung gilt darüber hinaus nur für Unternehmen, die nach dem 15. Januar 2009 in Kurzarbeit getreten sind, d.h. viele Automobilfirmen, die bereits im letzten Quartal 2008 betroffen waren, bleiben ohne Unterstützung. Die Unternehmen, die die staatliche Hilfe anfordern, werden aufgefordert, Wirtschaftsprüfer für die korrekte Verwendung unter Vertrag zu nehmen.

Kurz nach dem Ausbruch der »Schweinegrippe« weitete die Regierung das Maßnahmenpaket noch einmal aus. Vieles ist für die Belebung der Industrie und den Schutz der Bevölkerung wichtig, aber insgesamt hat die Regierung zu spät auf die Krise reagiert. Aufgrund der Abhängigkeit vom US-Markt und den Erfahrungen aus früheren Krisen war der Einbruch in der Auto-mobilindustrie und anderen Sektoren früher absehbar, und heute bremsen bürokratische Hürden die Effektivität der Programme.

Trotz der Krise hält die mexikanische Regierung an ihrem liberalen Wirtschaftskurs fest und setzt damit die Politik der letzten dreißig Jahre fort: Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, Deregulierung des Finanzsektors, Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen, Privatisierung der Renten, und Versuche der Mehrwertsteuererhöhungen für Lebensmittel und Medizin. Die aktuelle Wirtschaftspolitik reflektiert eine Strategie, in der Mexiko kein nennenswertes Wachstum verzeichnen konnte und die soziale Ungleichheit eine gesellschaftliche Konstante blieb. Die gegenwärtige Lage verdeutlicht einmal mehr, dass sich die mexikanische Wirtschaft auf die Ausfuhren in die USA als Wachstumsmotor allein nicht verlassen kann.

Strukturelle Probleme der mexikanischen Wirtschaft

Die gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzstrukturen sind größtenteils das Ergebnis eines intensiven Prozesses liberaler Reformen, die in den 80er Jahren begannen. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 1982 wurde die Importsubstitutionspolitik mit einer aktiven Rolle des Staates abgelöst von einer Liberalisierungspolitik, die zum Ziel hatte, Exporte und private Investitionen zum Hauptmotor des Wirtschaftswachstums zu machen. Seither setzten alle Präsidenten auf den Abbau von Subventionen, die Privatisierung staatlicher Unternehmen, den Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsprozess und die Handelsliberalisierung. Das Inkrafttreten des NAFTA im Jahr 1994 symbolisiert die stärkere Außenorientierung Mexikos. Auch die beiden konservativen Regierungen der Post-PRI-Ära setzten bzw. setzen die liberale außenorientierte Wirtschaftspolitik fort und entschieden sich damit für eine Strategie, die seit ihrer Einführung die Armut des Landes nicht überwinden konnte. Das Modell des exportorientierten Wachstums ist nicht nur wegen des geringen Wachstums gescheitert. Geographische Entwicklungsunterschiede, eine zu geringe Steuerquote, niedrige Investitionen für die Modernisierung und Weiterentwicklung strategischer Wirtschaftsbereiche, sind ebenfalls direkte oder indirekte Ergebnisse.

Um die multilateralen Handelsbeziehungen wirtschaftlich fruchtbar werden zu lassen, bedarf es konkreter politischer Entscheidungen und Maßnahmen. Die NAFTA-Region ist hauptsächlich durch die Aktivität privater Unternehmen geprägt. Auch Mexiko profitiert davon. Die Erträge verteilen sich jedoch vorwiegend auf die oberen Einkommensschichten sowie auf den Norden der Republik. Die industrielle Entwicklung klammerte den mexikanischen Süden bisher aus. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind in den letzten Jahren aufgrund der internationalen Konkurrenz verschwunden. Die mexikanische Landwirtschaft ist nicht einmal in kleinen spezialisierten Sektoren wettbewerbsfähig.

Die niedrige Steuerquote von 14% und die Abhängigkeit des Haushalts von den Erdölexporten verengen den Aktionsradius der Regierung. 2010 wird Mexiko mit einem erheblichen Haushaltsloch zu kämpfen haben. Der mexikanische Finanzminister sprach die Bedenken bezüglich der Stabilität des Haushalts selbst aus: »Das Land hat noch niemals mit einem derartigen Fall der öffentlichen Einnahmen in einem Jahr umgehen müssen«. 2009 könne das Haushaltsloch von 480 Milliarden Pesos (ca. 37 Milliarden US$) noch durch Erdöleinnahmen, durch Stabilitätsfonds und Mittel der Nationalbank gedeckt werden, so der Finanzminister. Doch der Haushalt 2010 wird aufgrund fehlender Einnahmen stark unter Druck sein. Das Wirtschaftswachstum wird im günstigsten Fall 2,8% betragen. Die fallenden Einnahmen aus dem Erdölverkauf machen der Regierung jedoch die größten Sorgen.

Eine Kombination aus sinkendem Ölpreis und stark fallender Erdölproduktion wird den Haushalt des sechstgrößten Ölexporteurs der Welt stark belasten. Seit Inbetriebnahme des Erdölfelds Cantarell im Jahr 1979 finanziert Mexiko zwischen 30%-40% seines Etats aus Ölverkäufen1. In den letzten zwei Jahren wuchsen die Staatseinnahmen vor allem wegen des höhen Ölpreises. 60% eines jeden eingenommenen Pesos flossen jedoch direkt in laufende Kosten. Im Jahr 2009 sind die Erdöleinnahmen aus Inlandsverkäufen und Export bis Juni allein um 22,2% gesunken. Darüber hinaus geht dem Staatskonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) das Öl aus. Die vormals sprudelnden Reserven, v.a. Cantarell, sind heute drastisch geschwunden – nicht mal mehr sieben bis zwölf Jahre sollen sie reichen. Die Produktion ist aber nicht nur aufgrund fehlender Reserven gesunken. Die fehlenden Investitionen in Technologie und Entwicklung neuer Quellen, der Fokus auf die Förderung in Cantarell und die Finanzierung des Haushalts durch Pemex, bekommt Mexiko heute zu spüren. Der Erdölexporteur muss mittlerweile 40% des Benzins importieren, da in den letzten Jahrzehnten keine neuen Raffinerien gebaut wurden. Erst in der Amtszeit von Felipe Calderón wurde entschieden, eine neue Raffinerie zu konstruieren.

Nicht nur die Erdöleinnahmen nehmen ab. Die ohnehin extrem niedrigen Steuereinnahmen verringern sich in der Krise. Die Einkommens- oder Mehrwertsteuer verzeichnen ein Minus von 14,7% bzw. 20%. Die Bundesregierung selbst beschreibt ihre Haushaltsprobleme als größten »Finanzschock« seit 30 Jahren. Ohne Rücklagen wird es die Regierung schwer haben, die angekündigten Konjunkturprogramme aufrechtzuerhalten. Tatsächlich wurde eine erste Kürzung schon im August angekündigt.

Der starke Rückgang in der Exportindustrie ist auf die US-Rezession zurückzuführen, aber es handelt sich nicht allein um ein konjunkturelles Problem. Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist in der Industrie eine Wettbewerbskrise zu erkennen, die von der Politik nicht adäquat bzw. gar nicht behandelt wird. An Stelle der Förderung von Investitionen für ein langfristiges Wachstum und die Weiterentwicklung von Technologie, Innovation und integrierter Prozesse, standen kurzfristige Strategien und der Gewinntransfer ins Ausland im Vordergrund. Allein im produzierenden Gewerbe sind in den letzten 10 Jahren ca. eine Million Arbeitsplätze verloren gegangen und es fehlen konkrete Diagnosen und Vorschläge seitens der Politik, diesen für Mexiko so wichtigen Sektor zu stärken und wettbewerbsfähiger zu machen. Aus dem jährlichen Global Competitiveness Report des World Economic Forum geht hervor, dass Mexiko seit 2001 in der Kategorie Wettbewerbsfähigkeit um 18 Plätze gefallen ist (von 42 auf 60). 1994 befand es sich sogar auf Platz 26 (von 41 damals untersuchten Ländern).

Seit einigen Jahrzehnten, insbesondere aber seit Inkrafttreten des NAFTA-Abkommens ist Mexiko in der internationalen Wirtschaft bekannt durch seine Maquila-Strategie, d.h. durch ein Angebot an Produktionsstätten, die auf Billigexporte für die Märkte des Nordens setzen. Diese Industrien sind in ihrer Mehrzahl in der Nähe der US-amerikanischen Grenzregion angesiedelt, zunehmend aber auch im Inneren des Landes. Das Maquiladora-Programm entstand bereits 1965 mit dem Versuch von Präsident Díaz Ordaz, ein Industrialisierungsprogramm an der Grenzregion zu den USA aufzubauen. Die mexikanische Initiative deckte sich mit der 1964 vom US-amerikanischen Kongress beschlossenen Regelung für ein Zollpräferenzsystem für im Ausland verarbeitete US-Produkte. Eine Maquila oder Maquiladora ist eine Fabrik, die als individuelle ausländische Produktionszone definiert wird und mit Zoll- und Steuervorteilen in Mexiko operiert. Danach können Materialien, die in diesen Fabriken verarbeitet werden, zollfrei eingeführt werden, solange das Endprodukt nach Fertigstellung sofort wieder exportiert wird. Diese Produkte werden entsprechend bei Einfuhr in die USA mit einem niedrigeren Zoll versehen als Güter aus anderen Ländern. Seit 1983, zunächst beschränkt, ist es den Maquilas nach der Einführung des NAFTA-Abkommens auch erlaubt, ihre Produkte auf dem mexikanischen Binnenmarkt zu verkaufen. Die Unternehmen konzentrieren sich auf die Industriebranchen Elektronik, Textilien und Maschinen.

Als langfristiges Entwicklungsmodell stand die Maquila-Strategie schon lange in der Kritik und seit vielen Jahren belegen handfeste Zahlen seine Verwundbarkeit. Obwohl die Maquila-Unternehmen einen Hauptanteil der mexikanischen Ausfuhren tätigen, ist ihr Beitrag zum mexikanischen BIP sehr gering. Die Unternehmen tragen auch nur wenig zur Förderung Mexikos als spezialisiertem Forschungsstandort in bestimmten Sektoren bei. Die geringe Verflechtung vieler Wirtschaftszweige hat zur Folge, dass originäre Technologien nicht von mexikanischen Firmen (weiter-)entwickelt werden. Nur 1% der zugelieferten Teile ist mexikanischen Ursprungs. Als OECD-Land mit einem im lateinamerikanischen Vergleich hohen Pro-Kopf-Einkommen müsste Mexiko verstärkt auf Bildung und Ausbildung setzen. Aufgrund der bisher geringen Investitionen in das allgemeine Bildungswesen sowie in die betriebliche Ausbildung läuft das Land Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Auch lässt sich Mexiko seine Arbeitsbeziehungen zu viel kosten. An die Stelle korrupt abgeschlossener Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und nicht ausreichend legitimierten Arbeitnehmervertretern sowie hoher Einstellungskosten, müssen Transparenz, das Recht auf Versammlungsfreiheit und Anreize für Fachausbildungen treten.

Der Teufelskreis von geringer Leistung und hohen Erwartungen kann nur von der Politik gebrochen werden. Die Krise zeigt einmal mehr die Dringlichkeit einer umfassenden Steuerreform, um die Abhängigkeit von der Erdölindustrie zu verringern. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Ressourcengewinne nicht langfristig investiert wurden, um notwendige soziale Entwicklungen zu steuern. Ohne Anstrengungen, die Infrastruktur und das Bildungssystem langfristig zu modernisieren und auszubauen, werden antizyklische Maßnahmen nur begrenzt helfen.

Die Oppositionsparteien PRI und PRD kritisieren die wirtschaftspolitische Richtung der Bundesregierung. Rhetorisch setzen sich verschiedene Vertreter beider Parteien für eine Änderung des Wirtschaftskurses bzw. den Abschied von der aktuellen Wirtschaftspolitik ein, ohne jedoch die Inhalte einer möglichen neuen Strategie konkret zu benennen. Der Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, bezeichnet die Maßnahmen der Bundesregierung als unzureichend und nicht effizient. Er stellt das Wirtschaftsmodell in Frage, da es die soziale Ungerechtigkeit vertieft habe. Auch die Vorsitzende der PRI, Beatriz Paredes, fordert eine Kursänderung. Die Vorschläge zur unmittelbaren Krisenbewältigung sind konkreter. Beiden Oppositionsparteien liegt der Schutz der Bevölkerung und der Arbeitsplätze am Herzen. Die linke PRD betont die Bedeutung und den Ausbau von Sozialprogrammen, die PRI schlägt »Essenstafeln« für Arme und ein Gesetz zum Recht auf Ernährung vor. Darüber hinaus möchten beide die kleinen und mittelständischen Unternehmen durch leichteren Kreditzugang fördern. Die PRI regt die Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung auf Bundesebene an, während hochrangige Vertreter der PRD die Kürzung laufender Kosten im Haushalt nahelegen. Der designierte Vorsitzende der PRD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und ehemalige Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Alejandro Encinas, schlägt vor, das Haushaltsloch durch Kürzung der Gehälter hoher Funktionäre sowie durch die Verpflichtung von Beamten und öffentlichen Angestellten, dem öffentlichen Krankenversicherungssystem beizutreten, zu stopfen. In der Tat sind die Gehälter führender Staatsangestellter in Mexiko überdurchschnittlich hoch. Gouverneure oder Beamte des Bundeswahlamts verdienen bis zu 30.000 Euro monatlich.

Aufgrund der Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 5. Juli 2009 und der geringen Konsensfähigkeit der Parteien ist für die verbleibende Regierungszeit von Präsident Calderón eine für die Wirtschaft und Gesellschaft nachteilige politische Stagnation zu erwarten. Die Regierungspartei hat bei den Wahlen starke Verluste hinnehmen müssen. Wie bereits vorher absehbar war, ist die PRI in der neuen Legislaturperiode bis 2012 mit 36,89% der Stimmen die stärkste Kraft. Weit hinter den Wahlerfolgen von 2000 und 2006 erreichte die konservative Partido Acción Nacional (PAN) nur 27,98% der Stimmen. Die PRD kam nur auf 12,2%. Das Wiedererstarken der PRI ist auf die Politik und das Verhalten sowohl der Regierungspartei PAN als auch der Oppositionspartei PRD zurückzuführen, nicht auf ein überzeugendes Programm seitens der PRI.

Die PAN setzte seit 2006 auf das Militär als einziges Instrument gegen die brutale und sich national ausbreitende Drogenmafia. Trotz der Festnahme wichtiger Kartellbosse sind die Ergebnisse eher bescheiden. Die vielen Todesopfer, die wachsende Unsicherheit außerhalb von Mexiko-Stadt und Menschenrechtsverletzungen seitens des Militärs sorgen für viel Kritik an der Regierungspolitik und erklären die Wahlniederlage. Die Rezession hat die PAN als Wahlkampfthema fast ausgeschlossen, das Schönreden der schlechten Wirtschaftslage hat die Wähler nicht überzeugt. Aufgrund der parteipolitischen Blockade und des fehlenden Konsens über die strukturellen Ursachen der Krise und den nötigen Ausweg, ist damit zu rechnen, dass bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2012 keine bedeutenden Steuerreformen, Bildungs- oder Arbeitsrechtsreformen auf den Weg gebracht werden. Die oben beschriebenen strukturellen Probleme des Landes allerdings bedürfen rasch greifender Maßnahmen und einer realistischen Diagnose, um die sozialen Folgen möglichst weich abfedern zu können. Aufgrund des Festhaltens der aktuellen Regierung an einer überholten Wirtschaftspolitik, bleibt nur der Kongress als neuer politischer Motor für Reformprojekte.

Schlussbemerkungen

Wenn die sozialen und ökonomischen Auswirkungen nicht rasch und nachhaltig gedämpft werden können, besteht das Risiko sozialer Instabilität. Die Regierungsfähigkeit, die durch die Mehrheitsverhältnisse im Kongress und die umstrittenen Präsidentschaftswahlen des Jahres 2006 bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingeschränkt war, ist durch den Stimmen- und damit Machtzuwachs der PRI noch geringer. Die relative Gelassenheit der konservativen Regierung gegenüber der Wirtschaftskrise verringert die Chancen auf nachhaltige Reformen. Selbst wenn sich die US-amerikanische Wirtschaft 2010 schneller als erwartet erholen sollte, ist dies nicht zwangsläufig mit einem Wachstum der mexikanischen Wirtschaft gleichzusetzen. Da selbst der Boom auf dem US-Markt in den 90er und den letzten Jahren nicht zu einem überdurchschnittlichen Wachstum in Mexiko geführt hat, wird ein wohl eher konservatives Konsumverhalten der USA in den nächsten Jahren die Wirtschaftsaussichten in Mexiko eher schmälern.

Ohne die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz in den USA wird die Migration in den Norden abebben. In der zweiten Hälfte des Jahres 2008 sind 50% weniger Menschen in die USA ausgewandert als in der zweiten Hälfte 2007. Ein Großteil der Bevölkerung hat entsprechend mit mehr Konkurrenz um weniger Arbeitsplätze, mit Einkommensverlusten und mit weniger Einkommen über die remesas zu rechnen. Länder mit einem soliden Netz sozialer Sicherheit können ein Minimum an sozialer Stabilität bieten. Die mexikanischen Entscheidungsträger haben finanzpolitisch aus der letzten Krise gelernt. Arbeitsmarkt- und sozialpolitisch wurden dagegen wenig Lehren gezogen. Heute wie 1994 gibt es keinen Arbeitsplatzschutz und keine Arbeitslosen-versicherung. Zynisch halten Beobachter fest, dass Migration und remesas das soziale Auffangnetz darstellen. Aufgrund der negativen Prognosen für Beides, dem dramatischen Kampf gegen die Drogenkartelle und der fehlenden Bereitschaft zu nachhaltigen Strukturveränderungen könnte Mexiko in naher Zukunft soziale Probleme bekommen, die die schwachen Fundamente der Demokratie noch stärker herausfordern.

Bibliographie

Crocoll, Sophie und Susan Steiner: «Armut in Krisenzeiten: Rückblick und Ausblick» in GIGA Focus Lateinamerika, 5/2009. Dussel Peters, Enrique: «El aparato productivo mexicano. Entre la crisis global y el caos de la política nacional» in Nueva Sociedad Nr. 220, 3-4.2009, S. 112-124, verfügbar unter www.nuso.org/upload/articulos/3597_1.pdf.Moreno-Brid, Juan Carlos: «Mexican Economy Facing the International Crisis», IDEAS Conference on Re-Regulating Global Finance in the Light of the Global Crisis, Tsinghau University, Beijing, China, 9-12. April 2009. Ramírez de la O., Rogelio: «México en la crisis global y en su propia crisis: ¿Qué hacer?», Friedrich -Ebert-Stiftung Mexiko, Juli 2009. Stiegler, Ursula: «Wie weit reicht Mexiko: Die politischen Implikationen der mexikanischen Migration in die USA» in Brennpunkt Lateinamerika Nr. 18, 30.9.2005.

Webseiten

Banco de México: www.banxico.org.mx.Central Intelligence Agency: The World Factbook, _/em_www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/.Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL): www.eclac.org.Ecanal, Economic Analysis for Company Planning: www.ecanal.com.mx.Foro Económico Mundial: www.weforum.org.Instituto Nacional de Estadística y Geografía: www.inegi.gob.mx.The Economist: www.economist.com.

  • 1. Im Jahr 2008 machten die Erdöleinnahmen 37% des Haushalts aus.
Este artículo es copia fiel del publicado en la revista Nueva Sociedad , Januar 2009, ISSN: 0251-3552


Newsletter

Suscribase al newsletter