Artículo
NUSO Nº Januar 2008

Eine, zwei, viele Tendenzen in der lateinamerikanischen Linken

Zusammenfassung | Die in der lateinamerikanischen Politik und Wissenschaft zum Gemeinplatz gewordene These der »zwei linken Tendenzen« unterscheidet eine »pragmatische«, »vernünftige« und »moderne« Linke (Chile, Brasilien, Uruguay) von einer »demagogischen«, »nationalistischen« und »populistischen« Linken (Venezuela, Bolivien, Argentinien, Mexiko). In diesem Artikel wird argumentiert, dass die spezifische Form der Linken in Wirklichkeit eher durch das institutionelle Erbe des Neoliberalismus, die Stellung der sozialen Bewegungen und die historische Entwicklung der progressiven Parteien im jeweiligen Land bedingt ist. Somit gäbe es mehr als nur zwei linke Tendenzen – denen allen aber der Wille gemeinsam ist, die neoliberale Agenda durch die Stärkung des Staates und die Verbesserung der sozialen Situation zu überwinden.

Eine, zwei, viele Tendenzen in der lateinamerikanischen Linken

Der Gemeinplatz von den zwei linken Tendenzen

Niemals zuvor schafften es Parteien, Koalitionen und Bewegungen, die sich mit der Linken identifizieren, in so vielen Ländern Lateinamerikas fast gleichzeitig auf demokratischem Weg an die Regierung zu gelangen. Diese politische Hochkonjunktur der Linken ist jedoch von einer starken Heterogenität in Bezug auf Geschichte, Organisation und Programmatik gekennzeichnet. Ausschlaggebend sind dabei Unterschiede in Hinblick darauf, wie erfolgreich die neoliberale Politik in den jeweiligen Ländern war, wie viel Legitimität den verantwortlichen politischen Akteuren verblieben ist und welche Position die jeweilige Linke gegenüber dem Neoliberalismus eingenommen hat. In diesem Zusammenhang stellt Boaventura de Sousa Santos fest, dass das besondere Merkmal der derzeitigen politischen Konjunktur in Lateinamerika die enorme Distanz zwischen der traditionellen theoretischen Rhetorik der Linken und ihrer politischen Praxis sei.

Die Feststellung, dass sich linke Politiken ausbreiteten und sich dieses Aufkommen in unterschiedlichsten politischen und institutionellen Varianten manifestierte, weckt Zweifel an der zwar einflussreichen aber vereinfachenden Interpretation von den zwei linken Tendenzen. Da sich diese Argumentation jedoch so schnell verbreitet und in der Öffentlichkeit etabliert hat, ist eine genauere Analyse notwendig.

Der ehemalige mexikanische Außenminister Jorge Castañeda hat als einer der ersten behauptet, die Bürger Lateinamerikas hätten heute die Qual der Wahl zwischen zwei linken Tendenzen, und zwar einer (von den Regierungen in Brasilien, Chile und Uruguay repräsentierten) »pragmatischen«, »vernünftigen«, »realistischen«, »modernen« und »resignierten« Linken und einer in Venezuela, Bolivien, Argentinien und Mexiko beheimateten »demagogischen«, »nationalistischen«, »populistischen«, »kaum modernisierten« Linken »ohne ideologische Prinzipien«. Diese Idee wurde – mit Nuancen und aus verschiedenen Positionen heraus – von anderen Analysen aufgegriffen, wobei es bei einer dichotomischen Interpretation der Entwicklung der Linken blieb. Der ehemalige venezolanische Kommunist und heutige politische Gegner von Hugo Chávez, Teodoro Petkoff, stellt der »Linken des fortgeschrittenen Reformismus« – zu der er auch die Regierungen von Panama, der Dominikanischen Republik und Guayana zählt – eine »bourbonische Linke« gegenüber, die von der Achse Kuba-Venezuela repräsentiert wird und auch Bolivien, Nicaragua und El Salvador beeinflusst. Der salvadorianische Ex-Guerrillakämpfer Joaquín Villalobos wiederum unterscheidet zwischen einer »religiösen« und einer »rationellen Linken«. Dieses Bild von der Spaltung der Linken in zwei Lager taucht ebenso selbstverständlich in Meinungen von Intellektuellen wie Carlos Fuentes oder Andrés Oppenheimer auf wie in der internationalen Presse, einer großen Zahl von Politikanalysen aus Lateinamerika selbst und auch in einigen akademischen Arbeiten.

Dabei wird ein Analyseraster entworfen, mit dem länderunabhängig angeblich gegensätzliche Tendenzen abqualifiziert oder verherrlicht werden können. Dieses Raster basiert auf drei Gegensatzpaaren:

- Die »pragmatische Linke« akzeptiert resigniert die Vorherrschaft des freien Marktes – dagegen propagiert die »idealistische und demagogische Linke« einen nicht nur »antineoliberalen« sondern sogar antikapitalistischen Diskurs und versucht, die Marktfreiheit aufzuheben. - Die »demokratische Linke« akzeptiert uneingeschränkt die Regeln des politischen Wettbewerbs und ist den demokratischen Institutionen verpflichtet – für die »populistische Linke« dagegen sind Demokratie und Rechtsstaat Formalitäten, die keine Hindernisse für die Umsetzung des Willens der Bevölkerung darstellen dürfen. - Die »moderate Linke« sieht ein, dass politische Veränderungen schrittweise erfolgen und verhandelt werden müssen – die »radikale Linke« will dagegen absolute Lösungen durchsetzen, ohne sich um einen politischen Konsens zu bemühen. Die Gegenüberstellung einer »tolerierbaren« und einer »unzumutbaren« Linken hat einerseits die Regierung Lulas ausgelöst, die die neoliberalen Leitlinien in der Steuer- und Währungspolitik ihres Vorgängers kaum antastete; und anderseits Hugo Chávez’ mit seiner antikapitalistischen Rhetorik und demokratischen Ambivalenz entflammt. Diese Vorstellung dient unter umgekehrtem Vorzeichen aus linker Sicht auch dazu, die brasilianische Resignation energisch zu verurteilen bzw. die Radikalität und den politischen Willen des venezolanischen Präsidenten hochzuloben. Derartige Reaktionen legen den Verdacht nahe, dass die Banalisierung der These mit ihrer schnellen Verbreitung einherging und sie letztendlich nicht viel mehr ist als ein Mittel zur ideologischen Konfrontation.

Eine fundiertere Analyse des Aufstiegs der linken Kräfte in Lateinamerika muss dagegen ihre Entstehungsge-schichte ebenso erforschen wie die sie unterstützenden Machtkonstellationen und die Handlungsspielräume, die ihnen die aus der neoliberalen Ära vererbten Institutionen lassen. So lässt sich nachweisen, dass es in Lateinamerika mehr als zwei linke Tendenzen und ihnen allen gemeinsame politische Prozesse und Programme gibt. Erst das erlaubt es, überhaupt von einem gemeinsamen politischen Zyklus zu sprechen.

Das Wählerpotenzial der Linken Die Wahlsiege der linken Kräfte drücken – mit verschiedenen Nuancen – die Frustration der Lateinamerikaner über die market-oriented Politik aus. Zusammen mit der fragmentierten Modernisierung und einem geringen Wirt-schaftswachstum trug dieses Programm zur Perpetuierung der Armut bei, verstärkte die bestehenden Einkommensunterschiede und zerstörte die sozialstaatlichen Strukturen. Der Abbau der wohlfahrtsstaatlichen Errungen-schaften in Ländern, in denen sich diese gerade erst zu etablieren begannen, wurde als Verrat empfunden. Die Bevölkerung wurde gänzlich ihrem Schicksal überlassen, was sozialen Ressentiments und Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Institutionen den Weg bahnte.

Damit scheint es also kein Zufall zu sein, dass die Wahlerfolge der Linken ihren Ursprung in der Wahlbeteiligung der Armen und der Mittelschicht haben. Ihre Forderungen nach einer gerechteren Einkommensverteilung und gesellschaftlicher Anerkennung konvergieren mit den Wahlversprechen der Linken, einige entscheidene Aspekte der neoliberalen Politik zu revidieren. Der Staat soll zumindest einige seiner sozialstaatlichen Aufgaben und wirtschaftspolitischen Regulierungskompetenzen aus den Jahren vor den Struktur-anpassungsprogrammen wiederherstellen – auch wenn er diese damals sehr unterschiedlich erfüllte.

In der gegenwärtigen politischen Dynamik lässt sich in Lateinamerika in der Tat »ein neues Vertrauen der Armen in die Wahlen« beobachten: Die wiederholten Wahlerfolge von Hugo Chávez stehen in einem eindeutigen Zusammenhang mit einer erhöhten Wahlbeteiligung und der anhaltenden Unterstützung der »Bolivarianischen Revolution« durch arme Bevölkerungsschichten – auch wenn ihnen bisher mehr gesellschaftliche Anerkennung als tatsächliche Einkommensverbesserungen beschert wurden. Diese politische Identifizierung hat allerdings auch zu einer zunehmenden Polarisierung und Distanzierung der Mittel- und Oberschichten von der Chávez-Regierung geführt.

Die brasilianische Arbeiterpartei (PT) sah sich ihrerseits gezwungen, ihre aus den Arbeitergewerkschaften, einigen ländlichen Regionen und den Mittel-schichten aus dem Süden des Landes bestehende Wählerbasis auszuweiten, um im Rest des Landes Stimmen zu gewinnen und an die Regierung zu gelangen. So wurde die PT bei den Kommunalwahlen 2004 eine der meistgewählten Parteien im Nordosten, der ärmsten und bis dahin von Obristen und Großgrundbesitzern beherrschten Region Brasiliens. Dieser Trend bestätigte sich bei den Präsidentschaftswahlen 2006. In anderen Worten: Die Übernahme von Regierungsverantwortung hat es der PT ermöglicht, ihr Wählerpotenzial »nach unten« auszuweiten. Diese Tendenz besteht nach dem Korruptions-skandal an der Parteispitze und im Kontext einer zunehmenden, u.a. durch die Angriffe der Medienkonzerne gegen den Präsidenten verschärften Polarisierung zwischen Arm und Reich, weiter – wohl vor allem dank des Prestiges von Lula selbst. Es ist damit zu erwarten, dass die nächste Regierungszeit stärker von der Persönlichkeit Lulas als von der PT geprägt wird.

Der Stimmenzuwachs der Koalition Encuentro Progresista-Frente Amplio in Uruguay hat sich ebenfalls in den letzten 15 Jahren ausgehend von der Arbeiter-schicht und der (studentischen) Mittelschicht in Montevideo auf das restliche Uruguay ausgebreitet. Zuvor hatten bei landesweiten Wahlen die beiden seit 1836 regierenden Parteien die Vormacht inne. Im gleichen Trend steht der Stimmenzuwachs der Bewegung zum Sozialismus (MAS) in Bolivien, wo zum ersten Mal in der republikanischen Geschichte des Landes die indianische Bevölkerung massiv für indigene Kandidaten gestimmt hat. Damit wurde die Konsolidierung einer Strategie zu ihrer Selbstvertretung möglich. Die Wahlen vom Dezember 2005 offenbarten zudem eine bis dahin nicht dagewesene Unterstützung der Kandidatur von Evo Morales durch die städtische Bevölkerung und die Mittelschicht. Ebenso wie in den zuvor genannten Fällen ging diese Verschiebung der Wählerpräferenzen hin zur MAS auf Kosten traditioneller Parteien, die für die Umsetzung der neoliberalen Strukturanpassungen verantwortlich waren. Dies hatte eine generelle Schwächung der traditionellen politischen Elite zur Folge.

Die linken Kräfte bereichern so den Regierungsapparat mit Anführern sozialer Bewegungen sowie mit Parteikadern und Fachleuten, die aus benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen stammen und durch ihre Schichtzugehörigkeit oder ethnische Herkunft und Hautfarbe auffallen. Dieser nach einer 20jährigen, langsamen Entwicklung vollbrachte »plebeische« Personalwechsel ist ein effektiver Schritt hin zu mehr Demokratie in Gesellschaften, die bisher von den traditionellen weißen, wohlhabenden Eliten beherrscht wurden. Dabei geht es natürlich nicht um die Entstehung irgendeiner »Volksdemokratie«, sondern darum, dass sich die soziale Zusammensetzung der Regierungsorgane offensichtlich gewandelt hat. Und es geht darum, darauf hinzuweisen, welche Machtver-schiebungen sich folglich zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten in den betroffenen Ländern ergeben können.

Die politische Rechte und die ihr nahestehenden gesellschaftlichen Gruppen haben dieses Signal zur Kenntnis genommen und entfachen wütende Kampagnen gegen die neuen Regierungen, ohne dabei zwischen »moderat« und »radikal« zu unterscheiden. Die Beteiligung von Unternehmerverbänden und Mittelschichten am Staatsstreich gegen Chávez im Jahr 2002, die hartnäckigen Oppositionen der Medienzare gegen die Regierung Lula in Brasilien und gegen die Kandidatur von Andrés Manuel López Obrador in Mexiko, die Angst der weißen bolivianischen Oberschicht vor der Machtübernahme durch Evo Morales und die banale Feststellung, dass Michelle Bachelet in Las Condes keine Stimmenmehrheit erhielt – all das sind Zeichen für Argwohn und oft auch für die geringe Toleranz der »Gewinner« der wirtschaftlichen Öffnung angesichts der Aussichten auf einen politischen Wandel, der sich aus dem zunehmender Einfluss und der wachsenden Sichtbarkeit der »Verlierer« ergibt. Soziale Bewegungen und neue politische Kräftekonstellationen Eine der größten, durch den linken Protagonismus hervorgerufenen, Neuerungen ist die Entstehung sozialer Bewegungen mit einem hohen Grad an organisatorischer Selbstständigkeit und innovativen politischen Forderungen. Anfang der 90er Jahre entstanden Organisationen, die sich an die Spitze des Widerstands gegen den Neoliberalismus stellten. Sie begannen, mit neuen politischen Aktionsformen zu experimentieren. In diesem Szenario traten vor allem Indigenen-, Kleinbauern-, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen hervor. Dazu kamen Arbeitslose, um ihr Geld betrogene Sparer und informell Beschäftigte aus der Mittelschicht mit geringerer organisatorischer Erfahrung. Noch sind diese Akteure eine Minderheit der gesellschaftlichen Gruppen, die sie zu repräsentieren versuchen. Und oft identifizieren sie sich auch nicht direkt mit der Linken. Sicher ist jedoch, dass der Austausch mit diesen Gruppen die linken Koalitionen und Bündnisse ideologisch und strategisch aufgerüttelt hat bzw. als Sprungbrett für deren organisatorischen Wiederaufbau und politischen Neuanfang gedient hat (z.B. im Fall der indigenen Organisationen in Ecuador und Bolivien).

Allerdings sollte man die Konvergenz verschiedener sozialer Bewegungen nicht überschätzen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die sozialen Proteste und Aufstände eine einzige Bewegung bilden, die unaufhaltsam von einem Land auf das nächste übergreift. Die landesspezi-fischen Eigenheiten bestimmen die jeweilige konkrete Entwicklung und den Einfluss, über den die sozialen Bewegungen innerhalb der Linken und in der Gesellschaft verfügen. Sie geben auch Anhaltspunkte für die soziopolitische und ideologische Zusammensetzung der Regierungen, die sie unterstützen oder an denen sie teilhaben.

Im Fall Boliviens verschmilzt in den Protesten 2000-2005 der zwei Jahrhunderte alte Kampf der Indianer mit dem Kampf der breiten Bevölkerung für nationale Unabhängigkeit und soziale Reformen. Die Aufständischen des 21. Jahrhunderts – Indígenas, Kleinbauern und städtische Arbeiter – lassen die Kampfformen und Forderungen des antikolonialen Aufstands von 1780, bei dem die Spanier fünf Monate lang von Aymara- und Quechua-Indianer belagert wurden, ebenso wieder aufleben wie die Errungenschaften der nationalistischen Revolution von 1952, die auf Initiative der städtischen Mittelschichten und der Bergarbeiter zur Verstaat-lichung die Zinnminen führte, das allgemeine Wahlrecht einführte und die Herrschaft der Oligarchie beendete. So kam es im Oktober 2003 und im Juni 2005, als die Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada und Carlos Mesa abgesetzt wurden, erneut zu einer vorübergehenden Verschmelzung der Aufstandserfahrung der indigenen Bevölkerung mit Elementen des breiten Widerstands gegen die wirtschaftliche und kulturelle Abhängigkeit, die auch Teile der aufgeklärten Mittelschicht unterstützten. Seitdem konnte die politische Elite Boliviens, die ab 1985 einen der ehrgeizigsten Pläne zur Wirtschaftsliberalisierung in ganz Lateinamerika vorangetrieben hatte, ihre politische Legitimität nicht wiederherstellen. Die Forderungen der Bevölkerung – souveräne Kontrolle der Rohstoffe, Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung und Demontage kolonialer nationalstaatlicher Strukturen – drohen, die alte Elite in Bolivien gänzlich ver-schwinden zu lassen.

Zwar hatte die MAS von Anfang an den Neoliberalismus abgelehnt, die Wiederherstellung der staatlichen Regulierung einiger strategischer Wirtschaftsbereiche angestrebt und die US-Intervention in der Antidrogenpolitik verurteilt. Doch erst während des »Gaskriegs« musste sie sich mit den Forderungen der sozialen Bewegungen ernsthaft auseinandersetzen. Das Regierungsprogramm von Evo Morales griff daraufhin – unter Ausschluss der extremsten Vorstellungen von der Bildung eines »Indio-Staates« – ihre Forderungen auf. Deren Allgemeingültigkeit – im Juni 2005 verlangten 70% der bolivianischen Bevölkerung die Nationalisierung der Gasvorkommen – zu ignorieren, hätte zu einem neuen sozialen Konflikt geführt. Und seitdem bestimmt das Spannungsverhältnis zwischen den sozialen Bewegungen und der charismatischen Figur des Präsidenten den Regierungskurs.

Die Entstehung der MAS als »politisches Werkzeug« einer Konföderation von Indigenen, Gewerkschafts- und Kleinbauernorganisationen hatte zum Ziel, ihre sozialen Errungenschaften durch Präsenz in den Institutionen abzusichern und eine Hegemonie auf nationaler Ebene zu schaffen. Pablo Stefanoni und Hervé Do Alto definieren sie in diesem Sinne als »einen neuen Nationalismus von links, in dem eine Ethnifizierung der Politik quer zu den gesellschaftlichen Spaltungen zwischen Volk und Oligarchie, zwischen Nation und Imperialismus verläuft«. Ihre Parteinahme für die repräsentative Demokratie unter der Prämisse, dass Demokratie auch eine »Errungenschaft des Volkes« ist, verortet sich die MAS in einer reformorientierten Linken, die die Vertiefung der Demokratie durch die politische Einbeziehung derjenigen anstrebt, die »an der Gründung der Republik keinen Anteil hatten«. So kam es, dass die MAS 2003 und 2005 die von der Verfassung festgelegte Nachfolgeregelung für den Präsidenten unterstützte. Sobald sie selbst an die Regierung kam, nutzte sie dann die demokratischen Verfahren, um eine Verfassungsgebenden Versammlung einzuberufen. Sie respektiert auch die Autonomiebestrebungen der Regionen anderer politischer Ausrichtungen.

In Argentinien findet man eine ganz andere populistische Tradition, als die von der Nationalisierung der Erdöl- und Erdgasvorkommen symbolisierte und an die Massen appellierende Politik Boliviens. Dort führen Krisenmomente auf Grund des entscheidenden politischen Einflusses des Peronismus tendenziell dazu, dass sich das institutionelle System gegenüber den sozialen Bewegungen durchsetzt. Letztere erwiesen sich seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre als sehr aktiv. Es kam erstmals in verschiedenen Teilen Argentiniens zu Straßenblockaden (Piquetes) durch Arbeitslose und prekär oder informell Beschäftigte. Zu den Piqueteros gesellten sich später einige Gewerkschaften, die Bewegung der Fabrikbesetzer und Bürgerversammlungen. Die durch das neoliberale Programm verursachte wirtschaftliche Rezession und der Wider-stand gegen die politische Elite – der am 19. und 20. Dezember 2001 offensichtlich wurde, als Fernando de la Rúa vom Amt zurücktrat – wurden zum Auslöser für die bisher intensivsten Bürgerproteste im demokratischen Argentinien. In Folge der Dezemberkrise gewannen die Piqueteros 2002 und 2003 an politischem Gewicht und avancierten so zu einem direkten Verhandlungspartner der jeweiligen Regierung. Erst mit dem Regierungsantritt von Néstor Kirchner, einem Peronisten mit Wurzeln in der ehemaligen peronistischen Guerrilla-bewegung Montoneros, der mit einer fortschrittlichen, nationalistisch und antineoliberal angehauchten Rhetorik an die Macht kam, beruhigten sich die Massen langsam wieder.

Sich der enormen Symbolik des Peronimus sicher, setzte Kirchner auf einen politischen Wandel »von oben«, ohne den organisierten Bürgern Beteiligungs-spielräume einzuräumen. Der Wunsch der breiten Öffentlichkeit nach Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens legitimierte auch die Bestrebungen der Regierung, die kämpferischsten Organisationen durch Verfolgung und Stigmatisierung ihres Protests zu isolieren und gleichzeitig zum Dialog bereite Gruppen zu kooptieren. Der Einsatz konventioneller klientelistischer Me-thoden blieb dabei nicht außen vor. Der »unendliche Peronismus« demobili-sierte so die neuen sozialen Akteure und kehrte zur traditionellen Steuerung des politischen Wandelsdurch die Regierungsspitze zurück, anstatt ein neues, auf Selbstorganisation und sozialer Auseinandersetzung basierendes Kräftegleichgewicht anzustreben. Das hat zwar Fortschritten in einigen Politikbereichen – Menschenrechte, Justizsystem, Außenpolitik, externer Verschuldung – keinen Abbruch getan. Es erklärt aber den geringen Willen der Regierung, eine Umverteilungspolitik zugunsten der Arbeitnehmer zu initiieren, die gesellschaftliche Inklusion und Schaffung von Arbeitsplätzen strategisch voranzutreiben und über rhetorische Angriffe gegen den Internationalen Währungsfonds (IWF) hinauszugehen.

Die zunehmende Kontrolle über den peronistischen Parteiapparat, die Schwierigkeiten der linken Parteien, sich untereinander zu verständigen, sowie die Loyalität der mächtigen Gewerkschaftsstrukturen zum Peronismus ermöglichten es Kirchner, die politische Agenda weitgehend zu kontrollieren. Auch verfügte er damit über einen großen Handlungsspielraum zur Bildung von Bündnissen. So versuchte er, eine Koalition mit politischen Gruppen und Persönlichkeiten aufzubauen, die nicht zu seinem eigenen politischen Spektrum gehörten und sich gleichzeitig von den mächtigsten Wirtschaftsgruppen zu distanzieren. Kirchner ist einer nationalistisch-sozialreformerischen Politikauffassung verpflichtet, die keine Klassengegensätze kennt. Zusammen mit seiner Bündnispolitik und seinem weitgehenden Verzicht auf demagogische Versprechungen lässt dies Federico Schuster zum Schluss kommen, die Regierung Kirchner sei »die aktuelle, modernisierte Version des linken Peronismus«. Auch gelang Kirchner die Demontage einiger Institutionen aus der Regierungszeit von Carlos Menem. Trotzdem ist nicht abzusehen, dass sich die Forderungen der sozialen Bewegungen nach politischer Erneuerung und gesellschaftlicher Teilhabe gegenüber den Rufen nach Ordnung in den Medien durchsetzen werden können.

Ohne deshalb die Diskussion über Populismus und sozialreformerischen Nationalismus beenden zu wollen, wird aus dem kurzen Überblick zu Bolivien und Argentinien klar, dass der Gemeinplatz von den »zwei linken Tendenzen« zu undifferenziert ist und letztendlich sehr unterschiedliche politische Methoden und Praktiken in einen Topf wirft. Dabei wird den persönlichen Zügen der politischen Führungsfiguren und ihrem Regierungsstil eine übermäßige Bedeutung beigemessen und übergangen, dass der Machtzuwachs beider politischer Koalitionen keine Bedrohung für die Demokratie darge-stellt hat. Im Gegenteil: Er hat in beiden Ländern entscheidend dazu beigetragen, dass sie zur Stabilität zurückgefunden haben und der Verfall ihrer politischen Systeme aufgehalten wurde. Diese Tatsache wird völlig vernachlässigt, wenn der Nationalisierung der Gasvorkommen in Bolivien Populismus vorgeworfen und Garantien für Investitionen als Priorität gefordert werden. Die Erklärungskraft des Konzepts ist damit zu bezweifeln.

Die Grenzen des Linksrucks

In Bolivien hängt die Zukunft der neuen Regierung von der Rolle der sozi-alen Bewegungen ab, die Kirchners in Argentinien vom Gleichgewicht innerhalb des Peronismus. In Venezuela scheint alles von der Führungskapazität Chávez’ und seiner Fähigkeit zur Vermittlung zwischen den verschiedenen zivilen und militärischen Fraktionen seiner Partei, der Bürokratie, den sozi-alen Organisationen und seiner gesellschaftlichen Basis abzuhängen. Die Legitimität der These von den zwei linken Tendenzen basiert größtenteils auf der Ablehnung der übertriebenen Machtkonzentration in der Figur des Präsidenten und der Radikalität seines politischen Projekts. Die »Bolivarianische Revolution« erscheint so als Idealtyp der »bösen Linken« in Lateinamerika. Ihre Entwicklung ist jedoch nicht so eindeutig, wie die These es vermuten lässt. Viele ihrer angeblich charakteristischen Züge sind nicht erst mit der »Fünften Republik« entstanden.

Seit Ende der 80er Jahre wies Venezuela eine Kombination von vier Faktoren auf: eine extreme Rigidität des Zweiparteiensystems, das per Gesetz be-stimmte Parteien (d.h. die Linke) und neue soziale Akteuren ausschloss; einen Mangel an Initiativen, um sozialen Ausgleich zu schaffen; eingeschränkte Regierungsfähigkeit; sowie Wachstum, Diversifizierung und Mobilisierung sozialer Organisationen. In diesem Szenario geriet die Veränderung der demokratischen Regeln ins Zentrum des politischen Konflikts. Diese Form der Auseinandersetzung führt tendenziell zu einer Schwächung der liberalen Komponente der Politik und zur Stärkung ihrer demokratischen Dimension. Die Unterscheidung zwischen liberalen und demokratischen Aspekten ermöglicht eine genauere Differenzierung des Für und Wider der politischen Veränderungen in Venezuela und vermeidet den Fehler, im politischen Liberalismus die einzige normative Bezugsgröße für Demokratie zu sehen. Aber genau das tut die These von den zwei linken Tendenzen.

In den Wahlen von 1998 war Chávez die einzige politische Figur, die einen radikalen politischen Wandel bewirken konnte. Einmal an der Regierung, setzte er die soziale und politische Mobilisierung strategisch ein, um seine Basis zu konsolidieren und die Vertreter des alten Regimes auszuschalten. Der »bolivarianische Mythos« und die mit ihm verbundenen nationalistischen Vor-stellungswelten waren dabei ein wirksames Instrument. Die bequeme Mehrheit der Bewegung Fünfte Republik (MVR) in der Verfassungsgebenden Versammlung ermöglichte ihr die Demontage des institutionellen Erbes des Zweiparteiensystems und die Schaffung neuer Institutionen auf der Grundlage einer direkten Beziehung zwischen Führer und Massen. Die Bolivarianische Verfassung führte also Verfahren partizipativer Demokratie ein. Diese haben zu sehr widersprüchlichen Entwicklungen geführt und ein fast plebiszitäres, dem Präsidenten große Machtbefugnisse erteilendes System eingeweiht – womit Befürchtungen autoritärer Auswirkungen durchaus gerechtfertigt sind. Als Teil des neuen Systems wurden auch eine Reihe bindender Maßnahmen zur Einkommensumverteilung eingeführt. Diese Reformen haben in mehr als fünf Jahren zu einer Schwächung der politischen Eliten und der Aushöhlung ihrer Parteien und Gewerkschaften geführt. Sie haben die aktive Beteiligung und Einbeziehung der breiten Bevölkerungsschichten in die Politik gefördert und die staatliche Vorherrschaft über die Zivilgesellschaft durchgesetzt.

Der Regimewechsel und die politische Hegemonie der Chavisten haben jedoch nicht zu einer entsprechenden Umorientierung in der Wirtschaftspolitik geführt. Die Steuer- und Währungspolitik der Regierung bleibt orthodox, bedient termingerecht ihre Außenschulden, erhöht die Beteiligung des transnationalen Kapitals und hält die Einfuhrpreise niedrig, um die Bedürfnisse des Binnenmarkts zu decken. Die Erhöhung der öffentlichen Ausgaben und die Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums zu Gunsten der Randgruppen wird durch die hohen Ölpreise, die Schaffung einer Parallel-struktur von Wohlfahrtsinstitutionen und durch die enormen Ermessens-spielräume der nähesten Mitarbeiter des Präsidenten bei deren Verwaltung ermöglicht. Damit werden institutionelle und politische Entwicklungen des vorgängigen Regimes (des ersten Mandats von Carlos Andrés Pérez zu Beginn der 70er Jahre) fortgeführt und die von einem einzigen Exportprodukt abhängige Rentiergesellschaft bleibt bestehen.

Mehr noch: Zwar hat die Rückgewinnung der staatlichen Kontrolle über die Erdölpolitik Chávez den Abbau der riesigen »sozialen Schuld« und die ordentliche Bedienung der Außenschulden ermöglicht sowie eine starke Binnenverschuldung erleichtert, die die notwendigen Mittel für die Expansion der Staatsausgaben bereitstellt. Jedoch erhalten Banken und Finanzgruppen mit den Zins- und Kapitalzahlungen auf diese Kredite bedeutende staatliche Transferleistungen. Einer der Eckpfeiler des Neoliberalimus, nämlich die Vorherrschaft des Finanzkapitals über die Industrie, scheint damit durch die bolivarianische Revolution nicht in Frage gestellt zu werden. Hier wird deutlich, wie flexibel die Verbindung zwischen dem von der Regierung Chávez proklamierten Sozialismus und ihrem markanten Realismus in einigen politischen Entscheidungen ist.

Dennoch ist es für eine effektive gesellschaftliche Veränderung nicht zu spät. Mit den Erträgen aus dem Ölexport und der Einführung von Kapitalkontrollen (ab 2003) hat es die venezolanische Regierung geschafft, das Vetorecht des Spekulationskapitals und der internationalen Finanzinstitutionen zu durchbrechen. Die wiederholten Fehlschläge der Opposition drängten außerdem den früher bedeutenden Einfluss der privatwirtschaftlichen Interessen auf die Regierung zurück. Dadurch hat Chávez – ein pragmatischer, sich auf das jeweilige Kräfteverhältnis einstellender Politiker, dessen politisches Projekt von einem übertriebenen, für Kritik unempfänglichen Voluntarismus geprägt ist – freie Hand für eine fortschreitende Radikalisierung seiner Politik. Im Kontext dieser neuen politischen Handlungsspielräume ist der von ihm erstmalig im Januar 2005 formulierte »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« zu sehen. Ungeachtet seiner manchmal fragwürdigen Umsetzung stellt er damit das Problem der politischen Identität der lateinamerikanischen Linken erneut zur Diskussion. Wo bleibt diese Identität, wenn sich die Parteien im demokratischen Wettbewerb versucht sehen, mit immer inhaltsleereren Programmen Wahlen zu gewinnen?

Lula bezieht weiterhin auf den bedeutendsten Foren der globalen Macht gegen die protektionistische Politik der Ersten Welt Stellung, die die Armut des Südens, die soziale Ungleichheit und die Umweltzerstörung verstärkt. Das zeigt, dass die Schwierigkeiten der PT, Fortschritte bei der Formulierung alternativer Politiken zu erzielen, wenig mit einer Aufgabe ihrer politischen Ideen zu tun haben, wie die Verteidiger der These von den beiden linken Tendenzen glauben machen wollen. Die geerbten wirtschaftlichen Belastungen, die institutionelle Trägheit und der politische Widerstand des Neoliberalismus in einem hochgradig in die Weltwirtschaft integrierten Land führen dazu, dass sich der politische Wandel in Brasilien auf Um-wegen und langsamer vollzieht als es die Wählerschaft der PT gern hätte.

Ein vorsichtiges Vorgehen in der Wirt-schaftspolitik geht jedoch mit der Wieder-aufnahme von staatlichen Entwicklungsinitiativen (der staatlichen Entwick-lungsbank BNDES, Banco do Brasil, Infrastruktur- und Forschungsprojekten) und einer innovativen Sozialpolitik einher – die durch die gute volkswirtschaftliche Performance erst ermöglicht werden. So kommt es dazu, dass die soziale Ungleichheit in Brasilien heute deutlich niedriger ist als in den vergangenen 30 Jahren, so das brasilianische Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (Instituto de Pesquisa Econômica Aplicada). Von 2001 bis 2004 sanken die Einkommens-unterschiede um 4%, d.h. das Einkommen der armen Bevölkerung stieg schneller als das der obersten Schichten. Gründe dafür sind vor allem die Stärkung des sozialen Netzes mit Hilfe der Programme Bolsa Família und Programa de Erradicação do Trabalho Infantil, der Ausbau des Bildungssystems und die Verringerung der Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen den Hauptstädten der einzelnen Bundesstaaten und dem restlichen Land. Die Kombination einer konservativen Finanzpolitik mit pragmatischen Entwicklungsmaßnahmen gilt als ein klassischer Schachzug der brasilianischen Wirtschaftspolitik. Im Gegensatz zu Venezuela werden diese Maßnahmen von einem effizienten Staat durchgeführt, der von den Privatisierungstendenzen der 90er Jahre kaum geschwächt wurde. Zwar reißt die Kritik von Seiten der inner- und außerparteilichen Linken nicht ab. Sollte diese Umverteilungsdynamik für den erneuten Aufstieg Lulas in der Wählerpräferenz ausschlaggebend sein, wären die Aussichten während einer zweiten Regierungszeit günstig für diejenigen Fraktionen der PT, die in der Neuauflage linker Positionen die Chance für eine Relegitimierung des historischen Parteiprojekts sehen.

Vielleicht mit Ausnahme des chilenischen Sozialismus, den Przeworski als »normatives Regime« (in dem politische Parteien unterschiedlicher ideologischer Strömungen praktisch identische politische Maßnahmen ergreifen) bezeichnen würde, sehen sich die übrigen Linksregierungen in Lateinamerika mit den gleichen Widersprüchen konfrontiert wie heute die PT. Ihre politische Identität wird von den Handlungsspielräumen bestimmt, die ihr nach dem (sehr wenig demokratischen) Erzielen eines primären Haushaltsüberschusses noch bleiben. Diese Handlungsspielräume der Linken variieren von Land zu Land, es sind aber neben der Erholung der Sozialausgaben eine Reihe von Initiativen zu erkennen, die Voraussetzungen für die Überwindung des Neoliberalismus und der Positionierung der ihr spezifischen politischen Vorstellungen schaffen sollen. Von diesen Initiativen sollen hier folgende erwähnt werden:

a) Rückbesinnung auf staatliches Handeln als zentraler Impuls für Entwicklung (Neodesarrollismo) durch Einsatz staatlicher Investitionen in strategischen Wirtschafts- und Infrastrukturbereichen, Einkommensumverteilung und erneute Verstaatlichung oder staatliche Verwaltung privatisierter Staatsbetriebe.

b) Souveräne Weltmarktintegration durch die Stärkung der Verhandlungsfähigkeit gegenüber transnationalen Wirtschaftsakteuren; Anstöße für eine dynamische und multilaterale, die Beziehung zu den USA neu definierende Außenpolitik; Schwerpunktlegung auf die regionale Integration auf der Grundlage einer geopolitischen Agenda, die über die bisherige, rein handelspolitische Ausrichtung hinausgeht und gemeinsame Investitionsprojekte in bedeutenden Wirtschaftsbereichen (Erdgasleitungen, Raffinerien, usw.) anstrebt, die eine große Bedeutung für einzelne Länder und für die Region haben.

c) Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Staat und Non-Profit-Sektor im Bemühen um nicht-privatwirtschaftliche Eigentums- und Produktionsformen.

d) Demokratische Innovation durch Verfahren partizipativer, direkter oder kommunitärer Demokratie in der öffentlichen Verwaltung.

Zwar deuten sich diese Initiativen erst an. Sie zeigen jedoch, dass die progres-siven Regierungen in Lateinamerika nicht bereit scheinen, die Macht auf Kosten ihrer politischen Identität auszuüben. Aber genau dazu lädt die These von den zwei linken Tendenzen im Einklang mit den Postulaten des »Dritten Wegs« ein, wenn sie behauptet, im Realismus liege das Programm. Die fehlende analytische Tiefe der Argumente kann so die dahinter verborgene normative Absicht nicht verbergen, nämlich Pragmatismus und Resignation zu den zentralen politischen Werten der modernen Mitte zu erklären. Dass die Fortschritte der Linken langsam sind, darf nicht mit einem Wertewandel verwechselt werden. Noch ist ihr Ziel vom Imperativ der Gleichheit bestimmt. Doch hat die Linke heute nicht für alles die »richtige Antwort«. Viele Entscheidungen der Linken sind durch Rahmenbedingungen bestimmt, die ihrem Wunschdenken kaum entsprechen und bereits zahlreiche Konflikten in ihrem Innern hervorgerufen haben. Diese Einschränkungen sind jedoch nicht unabänderlich. Heute geht es gerade darum, die bestehenden Optionen zu nutzen, um günstigere Voraussetzungen für die Projekte der Linken zu schaffen. So ergeben sich z.B. aus der neuen geopolitischen Konstellation in der Region Chancen für eine weniger untergeordnete Weltmarktintegration und die Stärkung der Verhandlungs-fähigkeit der lateinamerikanischen Staaten gegenüber den internationalen Finanzorganisationen. Damit lassen sich die Handlungsspielräume für fort-schrittliche Alternativen erweitern. Inwieweit dies möglich ist, hängt u.a. auch von aktuellen politischen Entscheidungen ab, so z.B. der Konsolidierung von Kräftekonstellationen, die eine Wiederwahl der Präsidenten (in Brasilien, Argentinien und Venezuela), die die regionale Integration vorantreiben, ermöglichen können. Damit wären die politischen Voraussetzungen für eine dauerhafte, je nach Geschichte des jeweiligen Landes mehr oder weniger kontinuierliche, innovative und mit dem Neoliberalismus brechende demokratische Transition geschaffen.

Este artículo es copia fiel del publicado en la revista Nueva Sociedad , Januar 2008, ISSN: 0251-3552


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